Missbrauchsopfer sind erkennbar gemacht
Identifizierbarkeit des Angeklagten ist jedoch nicht zu beanstanden
„Wie sich ein Betreuer das Vertrauen der Kinder erschlichen haben soll“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über einen Prozess wegen Kindesmissbrauchs gegen einen 42-jährigen Mann. Christian L. war Betreuer einer evangelischen Pfadfindergruppe. Er soll sich an vier Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 14 Jahren vergangen haben. Insgesamt werden ihm 330 Fälle von Kindesmissbrauch vorgehalten. Die Zeitung schreibt: „Im Fall von Tom K. ging der Missbrauch über drei Jahre. Der Junge versuchte mehrfach, aus der Pfadfindergruppe auszutreten. Doch seine Eltern interpretierten den Wunsch als Laune eines Kindes, schickten ihn weiter dorthin – nicht ahnend, was ihr Sohn durchleben musste. Robin F. wurde der Anklage zufolge mindestens einmal wöchentlich von dem Mann missbraucht und vergewaltigt. Mit den Schmerzen, die der Analverkehr, den das Kind mehrfach über sich ergehen lassen musste, auslöste, blieb es allein – der Junge brachte es nicht über sich, sich seiner Mutter zu offenbaren.“ Ein Leser der Zeitung wendet sich anonym an den Presserat. Er kritisiert, dass der Angeklagte in dem namentlich genannten kleinen Ort (8000 Einwohner), in dem er lebt, erkennbar werde. Das gleiche gelte für die Geschädigten. Zudem beschreibe die Redaktion detailliert die Taten und mache die Kinder damit erneut zu Opfern. Die Redaktion der Zeitung betont, dass der Opferschutz und insbesondere der Schutz von Kindern und Jugendlichen der Redaktion überaus wichtig seien. Sollte die Redaktion durch die Berichterstattung die Gefühle von Minderjährigen und deren Angehörigen verletzt haben, bedauere sie dies zutiefst. Aus aktueller Sicht sei auch die verkürzte Namensnennung der Missbrauchsopfer ein Fehler gewesen. Die Redaktion habe diese Angaben aus der Onlineversion des Artikels entfernt. Anders verhalte es sich bei der Nennung persönlicher Details im Fall des Angeklagten. Die schweren Taten seien nicht im privaten Umfeld geschehen, sondern im weiteren Sinne in der Öffentlichkeit. Die Intensität des Tatverdachts und die Schwere des Vorwurfs überwögen die schutzwürdigen Interessen des Angeklagten.