Eine Vermutung zur Tatsache gemacht
Einen Mann, der vor der Polizei flieht, als Drogendealer bezeichnet
Eine Großstadtzeitung veröffentlicht online einen Beitrag, in dessen Überschrift die Rede davon ist, dass ein Dealer in einem Park vor der Polizei geflohen und fast in einem Teich ertrunken sei. Im ersten Satz des Berichts schreibt die Redaktion von einem “mutmaßlichen Drogendealer“. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Berichterstattung. Es gebe keinerlei Belege dafür, dass der Mann ein Dealer sei. Weder in der Pressemitteilung der Polizei noch im entsprechenden Beitrag einer anderen Zeitung sei davon die Rede gewesen. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die von der Redaktion gewählte Formulierung vom „mutmaßlichen Drogendealer“ für korrekt. Sie diene der wahrheitsgemäßen Information der Öffentlichkeit. Die Meldung von der Flucht und ihrem beinahe tragischen Ende in einem Teich sei ohne diese Information gar nicht nachvollziehbar. Keine Angabe im Bericht sei unwahr. Die Indizien für den geäußerten Verdacht seien dem Autor des Beitrages bekannt. Diese Indizien seien der Aufenthalt des Mannes in dem als Drogenbrennpunkt bekannten Park, die Flucht vor den Polizeibeamten und die Tatsache, dass der Verdächtige auf der Flucht etwas weggeworfen habe. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung werde in dem Beitrag gewahrt, so die Rechtsvertretung. Zutreffend sei, dass in der Überschrift das Wort „mutmaßlich“ nicht enthalten sei. Möglicherweise sei es aus technischen Gründen entfernt worden. Die Zeitung beruft sich auf den Grundsatz, wonach der Sinngehalt von Schlagzeilen nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem Beitrag zu sehen sei. Somit habe die Redaktion nicht gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Unabhängig davon habe man die Schlagzeile des Beitrages geändert, um jeglichen Verdacht auszuräumen.