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Forscher als „falsche Kronzeugen“

Boulevardzeitung bewertet Uni-Studie ganz in ihrem Sinne

Die Uni Mainz hat in einer wissenschaftlichen Studie die Flüchtlings-Berichterstattung verschiedener Medien untersucht. Dabei kommt eine Boulevardzeitung aus ihrer Sicht zu einem sehr positiven Ergebnis. Sie berichtet über ihr Abschneiden in der Studie und stellt fest, dass sie etwa gleich viele positive wie negative Bewertungen der Zuwanderer bekommen habe. Die Redaktion veröffentlicht einen Kommentar zu dem Thema. Darin heißt es. „Eine aufwändige Studie der Uni Mainz belegt: Als einzige der untersuchten Medienmarken hat (…) 2015 und 2016 ausgewogen über die Flüchtlingskrise berichtet. Positive wie negative Geschichten erschienen gleichermaßen in (…), wir berichteten über Chancen und Probleme, über Erfolgsgeschichten, aber auch über Skandale und Verbrechen.“ Der Beschwerdeführer, ein bekannter Blogger, sieht einen Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Natürlich habe eine Zeitung die Freiheit, die Ergebnisse einer solchen Studie zu interpretieren und sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Die Zeitung erwecke jedoch sowohl im Bericht als auch im Kommentar einen eindeutig falschen Eindruck über die Ergebnisse der Studie. Sie mache die Forscher zu falschen Kronzeugen für eine positive Bewertung ihrer eigenen Arbeit. Die oben zitierten Passagen, so der Beschwerdeführer, seien falsch. Die Studie sage keineswegs, dass die Zeitung ausgewogen über die Krise berichtet habe. Ihre Macher hätten drei Faktoren untersucht: 1. Die Bewertung der Akteure (kommen Flüchtlinge positiv oder negativ vor), 2. Die Bewertung des Sachverhalts und 3. Ob den Bedürfnissen der Zuwanderer oder der einheimischen Bevölkerung Vorrang eingeräumt werde. Bei den Faktoren 1 und 3 berichte die Zeitung relativ ausgewogen. Beim zweiten Indikator jedoch liege die Zeitung bei minus 62 Prozent. Das sei der negativste Wert von allen untersuchten Medien. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass weder die Berichterstattung der Redaktion zu den Ergebnissen der Studie noch der entsprechende Kommentar presseethisch zu beanstanden seien. Die Redaktion habe die Ergebnisse der Studie zutreffend und medienübergreifend dargestellt.