Unverpixeltes Foto von Todesopfer verstößt gegen Pressekodex
Nach Angriff in Regionalzug durfte Täter aber als „Messer-Killer“ bezeichnet werden
Nach dem tödlichen Messer-Angriff auf Reisende in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg bezeichnet eine Boulevardzeitung den mutmaßlichen Täter als „Messer-Killer“ und erwähnt in mehreren Berichten seine Herkunft. Er sei ein staatenloser Palästinenser aus dem Gaza-Streifen und bereits durch Gewalt- und Sexualdelikte aufgefallen. Beide Toten werden im Foto gezeigt: ein 19-Jähriger unverpixelt, eine 17-Jährige verpixelt. Der mutmaßliche Täter wird unverpixelt abgebildet, aber da er eine Schutzmaske trägt, ist nur die Augenpartie zu erkennen. - Die Beschwerdeführenden kritisieren die Nennung der Herkunft des Tatverdächtigen. Sie habe mit dieser schrecklichen Tat nichts zu tun. Ihre mehrfache Erwähnung sei mutmaßlich diskriminierend. Außerdem verletze die Bezeichnung des Verdächtigen als „Messer-Killer“ mutmaßlich die Unschuldsvermutung, da er wegen der Tat noch nicht verurteilt wurde. Ferner habe die Redaktion den Persönlichkeitsschutz verletzt, vor allem beim unverpixelt gezeigten minderjährigen Opfer. - Der Verlag bestreitet, Persönlichkeitsrechte verletzt zu haben. Der Tatverdächtige sei nicht identifizierbar dargestellt worden, obwohl dies angesichts der außergewöhnlich schweren Tat eigentlich zulässig gewesen wäre. Außerdem dürfe eine Person als Täter bezeichnet werden, wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. - In diesen Punkten gibt der Beschwerdeausschuss dem Verlag recht. Der Tatverdächtige ist auf den Fotos nicht erkennbar. Auch die Nennung seiner Herkunft ist presseethisch nicht zu beanstanden. Denn angesichts der besonders schweren Straftat gab es ein öffentliches Interesse an dieser Information. Eine Vorverurteilung durch die Bezeichnung als „Messer-Killer“ liegt ebenfalls nicht vor. Denn nach Richtlinie 13.1 des Pressekodex darf die Presse eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. Der Beschwerdeausschuss erkennt aber einen schweren Verstoß gegen den in Ziffer 8 festgeschriebenen Opferschutz: Für die unverpixelte Abbildung des 19-jährigen Getöteten lag offensichtlich keine Einwilligung der Angehörigen vor, wie sie für eine identifizierbare Darstellung nötig gewesen wäre. Deshalb spricht der Beschwerdeausschuss eine öffentliche Rüge aus.