Entscheidungen finden

Einmal das gute, dann das böse Gesicht

Pastor soll seine Ehefrau in Säure aufgelöst haben

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über einen Pastor, der unter dem Verdacht steht, seine Frau getötet zu haben. Überschrift: „Löste Pastor Gotthard seine Frau in Säure auf?“ Die Redaktion zeigt zwei unverpixelte Fotos des Verdächtigen unter der Überschrift „Das gute Gesicht“ (im Talar, Quellenangabe „privat“) und „Das böse Gesicht“ (Polizeifoto). Die Zeitung teilt mit, dass bislang keine Leiche gefunden worden sei. Auf einem verschwommenen Foto wird der Tatverdächtige mit zwei Säcken und einer blauen Tonne auf einem Recyclinghof gezeigt. Die Polizei halte es für unwahrscheinlich, dass die Ehefrau noch lebe, heißt es weiter. Die Redaktion verweist auf den anstehenden Haftprüfungstermin des Pastors. Ein Leser der Zeitung sieht eine Vorverurteilung des mutmaßlichen Täters nach Ziffer 13 des Pressekodex sowie Verletzungen des Täter- und Opferschutzes wegen der identifizierenden Bilder nach Ziffer 8, Richtlinien 8.1 und 8.2. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. Dem Vorwurf einer Vorverurteilung unter Missachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung widerspricht das Justiziariat insofern, als der Artikel lediglich die Indizien zusammenfasse, die für eine potenzielle Täterschaft des Pastors sprächen. Anlass der Berichterstattung seien neue veröffentlichte Fotos der Polizei aus Überwachungskameras von einem Recyclinghof sowie von einer Tankstelle. Auf ihnen ist jeweils der Tatverdächtige zu sehen. Die Polizei habe sich mit der konkreten Frage an die Öffentlichkeit gewandt, wer den Pastor oder seine zwei Autos in der fraglichen Zeit gesehen habe. Was die angebliche Verletzung des Opferschutzes betreffe, so verweist die Redaktion auf die von der Familie der vermissten Frau initiierte Internetseite. Daraus lasse sich schlussfolgern, dass die Angehörigen der Vermissten es sicherlich begrüßt haben werden, wenn sich das Foto deutschlandweit verbreite.