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Täter und Opfer identifizierbar dargestellt

Umfassende Berichterstattung ist auch mit Anonymisierung möglich

„Meine Freundin (31) wollte, dass ich sie töte!“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um die Gerichtsverhandlung gegen einen 22-jährigen Mann, der unter dem Verdacht steht, seine Freundin getötet zu haben. Die Vornamen und abgekürzten Nachnamen des Verdächtigen und des Opfers werden genannt und unverfremdete Fotos von ihnen abgedruckt. Ein Leser der Zeitung kritisiert die identifizierbare Darstellung der Beteiligten. Er sieht darin kein überwiegendes öffentliches Interesse. Der Chefredakteur verweist auf Stellungnahmen in anderen Beschwerdeverfahren. Er hält an dem Standpunkt fest, dass die Öffentlichkeit bei Kapitalverbrechen ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend informiert zu werden. Dazu gehöre auch eine personalisierende Berichterstattung. Im konkreten Fall sprächen nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex sowohl die außergewöhnlich schwere Straftat, die Intensität des Tatverdachts, die Schwere des Vorwurfs sowie der Verfahrensstand dafür, dass das öffentliche Interesse die schutzwürdigen Belange des Betroffenen überwiege. Zur Veröffentlichung des Opfer-Fotos betont der Chefredakteur, dass die Frau im Rahmen einer öffentlichen Fahndung gesucht worden sei. Die Polizei habe den Medien deshalb das Foto zur Verfügung gestellt. Die Leser hätten das Opfer aus diesem Grund noch immer vor Augen. Deshalb habe eine nachträgliche Verfremdung des Fotos wenig Sinn gehabt.