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Intime Details über Pflegekind veröffentlicht

Magazin schildert Suche nach einem Vermissten und verstößt dabei gegen Persönlichkeitsschutz

Eine Autorin eines Nachrichtenmagazins berichtet online über ihre Suche nach ihrem Pflegebruder, den die Eltern Ende der 1980er Jahre als Waisenkind aufgenommen hatten und der Mitte der 1990er Jahre in ein Heim gekommen war. Danach sei er verschwunden. Der Artikel schildert auch den Rassismus, mit dem der aus Eritrea stammende Junge damals konfrontiert worden sei. Zudem beschreibt die Autorin private bis intime Details über das Zusammenleben mit ihm. Die Redaktion nennt seinen Vornamen und den abgekürzten Nachnamen und zeigt mehrere unverpixelte Kindheitsfotos. - Die Beschwerdeführerin sieht in dem Artikel eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Der Pflegebruder habe der Veröffentlichung der Fotos nicht zugestimmt und sei auch keine Person der Zeitgeschichte. Die Abbildungen seien auch nicht damit zu rechtfertigen, dass anhand seiner Geschichte exemplarisch das Thema „Rassismus“ behandelt werde. Anderenfalls wären alle Angehörigen einer marginalisierten Gruppe, zum Beispiel Rollstuhlfahrer, ohne Recht am eigenen Bild und könnten beliebig im Foto gezeigt werden. Zudem habe die Autorin sehr persönliche und ehrverletzende Details über den Jungen veröffentlicht. - Der Verlag entgegnet, es gehe hier nicht um die Instrumentalisierung einer beliebigen Person aus einer marginalisierten Gruppe für eine Berichterstattung, sondern um die Suche einer Pflegefamilie nach ihrem Pflegekind, das seit etwa 27 Jahren vermisst werde. Eingebettet werde dieses persönliche Thema in eine Reflektion über Alltagsrassismus. Gerade dieses zeitgeschichtlich bedeutsame Thema werde von der Autorin anhand des persönlichen Schicksals ernsthaft und sachbezogen erörtert. Weil der Betroffene verschollen sei, habe die Redaktion ihn nicht um sein Einverständnis bitten können. Dies aber könne keinen Zwang zur Anonymisierung begründen, denn dann hätte die Pflegefamilie keine Chance, ihn wiederzufinden. Im Übrigen handele es sich um jahrzehntealte Kindheitsbilder, auf denen niemand außerhalb seines damaligen Umfelds ihn wiedererkennen könne. - Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung einen erheblichen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex und spricht eine öffentliche Rüge aus. Problematisch sind die Passagen zur Gefühls- und Gedankenwelt des Jungen, etwa über sein nächtliches Weinen oder auch darüber, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam. Zudem beschreibt die Autorin Details aus der Intimsphäre des Jungen. Diese Schilderungen sind nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt, sondern verletzen den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Sie hätten ohne seine Einwilligung nicht veröffentlicht werden dürfen. Keine Einwände hat der Beschwerdeausschuss aber gegen die Kindheitsfotos, denn der mittlerweile Erwachsene ist auf ihnen höchstwahrscheinlich nicht mehr erkennbar.