Auch Verleger müssen Quellenschutz beachten
Medienunternehmer verriet Informanten an dessen ehemaligen Arbeitgeber
Eine Tageszeitung veröffentlicht online eine Stellungnahme ihres Chefredakteurs zu einem Vorgang, der den Verleger der Zeitung betrifft. Bei diesem hatte sich eine entlassene Führungskraft aus einem Konkurrenzverlag gemeldet, um ihm interne Informationen über diesen Verlag und ihren Vorstandschef zukommen zu lassen. Damit wollte sich der Informant vom Vorwurf des Machtmissbrauchs entlasten, mit dem seine Entlassung begründet worden war. Der Verleger als Empfänger der Dokumente informierte daraufhin den Konkurrenzverlag über das Vorgehen des Entlassenen. Als dies publik wurde und dem Verleger öffentlich die Missachtung des Quellenschutzes vorgeworfen wurde, äußerte sich auch sein Chefredakteur: Auch er habe die Dokumente des (von ihm namentlich genannten) Informanten angeboten bekommen. Er habe eine Berichterstattung aus journalistischen Gründen abgelehnt. Unabhängig davon habe sein Verleger den Konkurrenzverlag über die Kontaktaufnahme des Informanten unterrichtet, „um seinen unternehmerischen Standards zu entsprechen – professionellen Standards, deren Einhaltung er sich auch von anderen Verlagen erhofft und die in anderen Industrien als selbstverständlich gelten“. Die unternehmerische und die redaktionelle Perspektive seien in diesem Fall also verschieden. Die Redaktion „bietet Quellenschutz, unabhängig davon, wer die Quelle ist“. - Über den Vorgang beschweren sich drei Personen beim Presserat. Ein Beschwerdeführer meint, die Stellungnahme des Chefredakteurs verletze den Quellenschutz, weil darin der Name des Informanten genannt wurde. Die beiden weiteren Beschwerdeführenden kritisieren nicht den Artikel des Chefredakteurs, sondern das Vorgehen des Verlegers. Er stehe unter dem Verdacht, einen Informanten an seinen früheren Arbeitgeber verraten zu haben. In Zeiten, in denen immer häufiger von „Lügenpresse“ die Rede sei und die Medien insgesamt unter Druck stünden, müssten sich Informanten und Informantinnen darauf verlassen können, von Medienhäusern nicht denunziert und verraten zu werden. Anderenfalls müssten die Verlage damit rechnen, dass sich keine Informanten mehr bei ihnen meldeten. - Der Verlag entgegnet, dass der Informant sein Material ungefragt übermittelt und keine Vertraulichkeit vereinbart habe. Auf einen solchen Fall der aufgedrängten Information sei die im Pressekodex verankerte Pflicht zur Vertraulichkeit nicht anwendbar. Die Beschwerden gegen den Verleger bezögen sich nicht auf die publizistische Tätigkeit des Verlages, sondern richteten sich gegen eine davon unabhängige Handlung dessen Eigentümers. Er sei kein Journalist. Sein Verhalten unterliege nicht der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse. Er sei zudem auch in anderen Geschäftsfeldern tätig, die zum Teil der deutschen Finanzaufsicht und der US-Börsenaufsicht unterlägen. In diesen Bereichen gebe es einzuhaltende Richtlinien für den Umgang mit zugespielten Daten, erst recht, wenn diese rechtswidrig erlangt und über Unternehmenskanäle eingegangen seien. – Der Beschwerdeausschuss sieht im Vorgehen des Verlegers eine schwere Verletzung des Informantenschutzes nach Ziffer 5 des Pressekodex und spricht deshalb eine öffentliche Rüge aus. Auch ein Verleger ist Teil der Presse, unabhängig davon, ob er noch weitere unternehmerische Funktionen innehat. Unbeachtlich ist dabei, ob der Informantenschutz ausdrücklich vereinbart wurde. Denn in Ziffer 5 heißt es: „Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis.“ Für diese Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa bei einer Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung. Der Beschwerdeausschuss betont, dass der Schutz von Informanten ein zentraler Bestandteil der Pressefreiheit ist. Können sich Hinweisgeber darauf nicht verlassen, werden das Vertrauen in die Presse und deren Glaubwürdigkeit insgesamt beschädigt. Unbegründet ist aber die Beschwerde über die Stellungnahme des Chefredakteurs, in der er über die Preisgabe des Informanten durch den Verleger berichtete. Wer dieser Hinweisgeber war, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits bekannt. Im Gegensatz zum Verleger hat die Redaktion also nicht den Informantenschutz verletzt.