Entscheidungen finden

Grenze zur Diskriminierung überschritten

Auch Leserbriefe unterliegen presseethischen Grundsätzen

„Heiko Maas will homosexuelle Justizopfer entschädigen“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins über den Vorschlag des Justizministers, Männer, die nach dem berüchtigten Paragraphen 175 verurteilt wurden, zu entschädigen. Unter dem Beitrag finden sich mehrere Kommentare wie etwa diese: „Wer entschädigt die Opfer, welche von diesen ´Unschuldslämmern´ missbraucht wurden? Also bitte auch dahingehend eine klare Aussage, Herr Maas“, „Zu dieser Zeit war das Recht und Gesetz. Wenn heute, wie beabsichtigt, Ladendiebstahl nicht mehr bestraft wird, sind dann alle verurteilten Ladendiebe Justizopfer und müssen entschädigt werden? Lächerlich.“ Schließlich diese Meinung: „Schwer vorstellbar, dass ein Nachfolger im Justizministerium verurteilte Pädophile in nicht allzu ferner Zukunft als Justizopfer sieht, weil sie nur ihrer Neigung folgten.“ Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der Inhalt des Kommentars und eines Leserbriefes den Regelungen zu „Beleidigungen und Schmähungen“ unterliege. Nach Ziffer 12 des Pressekodex dürften soziale Gruppen nicht diskriminiert werden. Richtlinie 2.6 besagt, dass die Redaktion bei der Veröffentlichung von Leserbriefen die ethischen Grundsätze beachten muss. Die von der Zeitschrift veröffentlichten Kommentare seien fast zur Hälfte Schmähschriften gegen Homosexuelle. Homosexualität werde dabei teilweise in die Nähe von Kindesmissbrauch gerückt. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe hält die Vorwürfe des Beschwerdeführers angesichts der großen Zahl von täglich etwa zehntausend veröffentlichten Kommentaren nicht für angemessen. Eine umfassende Prüfung jedes Kommentars vor der Freischaltung würde aufgrund des Zeitaufwandes den Charakter eines spontanen direkten Diskussionsforums gefährden. Im vorliegenden Fall seien im Rahmen der nachgelagerten Kontrolle bereits wenige Stunden nach der Veröffentlichung mehrere Kommentare gelöscht worden. Sicherlich müsse man die Tendenz mancher Kommentare nicht teilen. Man müsse und sollte solche Stimmen auch nicht von vornherein aus der öffentlichen Debatte entfernen. Es gehe hier nicht gegen Schwule, sondern gegen eine Entscheidung des Justizministers. Über solche rechtspolitischen Fragen müsse auch dann eine kontroverse Diskussion möglich sein, wenn sie ausschließlich Angehörige einer Minderheit beträfen.