VW-Boss ist Chefredakteur für einen Tag
Beschwerdeführer: Denkbar schwerster Schaden für die Pressefreiheit
Eine überregionale Tageszeitung erscheint mit dem Aufmacher „Alles in Bewegung: Die Zukunft der Mobilität“. Die Redaktion erläutert in einem Info-Kasten, dass für diese Ausgabe der VW-Vorstandsvorsitzende Herbert Diess fungiert habe. Sie schreibt: „Diess hat bei der inhaltlichen Gestaltung dieser 38-seitigen Sonderausgabe zum Thema Mobilität der Zukunft mitgewirkt; und gemeinsam mit Michael Mauer, dem Design-Chef von Porsche, gab er dieser Zeitung auch optisch eine besondere Note.“ Weitere Rubriken in der Ausgabe behandeln Mobilitätsfragen. In diesem Rahmen ist VW immer wieder Gegenstand der Berichterstattung. Drei Leser der Zeitung wenden sich mit Beschwerden an den Presserat Sie sehen Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze. Ein Beschwerdeführer meint, die Zeitung habe für diese Ausgabe ihre journalistische Unabhängigkeit aufgegeben und sei in Zusammenarbeit mit Volkswagen erschienen. Die Ausgabe sei nicht als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet. Sie sei aber geprägt von den Interessen des VW-Konzerns. Ein anderer Beschwerdeführer spricht von einem einmaligen Fall von Unternehmensinteressen, die der Pressefreiheit den denkbar schwersten Schaden zufügten. Der Chefredakteur der Zeitung besteht darauf, dass auch diese Ausgabe seiner Zeitung den Anforderungen des Pressekodex entspricht. Es sei Aufgabe von Journalisten, Menschen zu informieren und zum Nachdenken anzuregen. Man wolle den Leserinnen und Lesern keine Meinungen vorschreiben. Stattdessen sei es ihr Ziel, unterschiedliche Sichtweisen gleichberechtigt gegeneinander zu stellen und es der Leserschaft so zu ermöglichen, sich zu den einzelnen Themen eine eigene Meinung zu bilden. Gast-Chefredakteure hätten – so der Chefredakteur – bei seiner Zeitung eine lange Tradition. Vor allem weist er den Vorwurf zurück, seine Zeitung habe mit dieser Sonderausgabe dem Ansehen der Presse geschadet und damit gegen die Präambel des Pressekodex verstoßen. Im Übrigen sei die Mitarbeit von Herbert Diess den Lesern völlig transparent gewesen, weshalb auch der Vorwurf der Schleichwerbung nicht zutreffe.