Unangemessene Angst vor den Folgen von AKW-Abschaltung geschürt
Anzeigenblatt veröffentlicht ungeprüft Pressemitteilung mit übertriebener Blackout-Warnung
Unter der Überschrift „Eilmeldung der Notfall-Vorsorge-Beratung Schleißheim" (NVBS) veröffentlicht ein Anzeigenwochenblatt wortwörtlich eine Pressemitteilung der NVBS mit einer Warnung vor den angeblichen Folgen der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke. Mit der Stilllegung drohe ein Blackout wie nie zuvor: „kein Strom, Heizung, Telefon/Handy/Internet und spätestens nach ein paar Tagen auch kein Leitungs-Wasser mehr. Geldautomaten geben kein Geld, Polizei und Feuerwehr sind nicht mehr erreichbar und eh hoffnungslos überfordert. Läden bleiben geschlossen – es gibt keine Lebensmittel und Wasser mehr zu kaufen!“ In dem Artikel wird geraten, Vorräte für mindestens zehn Tage anzulegen. „Sie haben nur noch wenige Tage zum Einkaufen und Vorsorgen. Der Staat kann Ihnen, wenn es soweit ist, nicht helfen!“ - Die Beschwerdeführerin sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen die Wahrhaftigkeits- und die Sorgfaltspflicht. Durch die Abschaltung der letzten drei deutschen AKWs drohe kein Blackout. Die Behauptung, dass der Staat nicht helfen könne, sei in ihrer Pauschalität unwahr. So seien bereits heute kritische Infrastrukturen gesetzlich verpflichtet, sich auf ein Blackout-Szenario vorzubereiten. Auch Staat und Kommunen seien auf einen Krisenfall vorbereitet. - Der Verlag beruft sich darauf, dass es sich um eine eingesandte Mitteilung handele und dass die Verantwortung dafür allein bei deren Verfasser liege, wie dem Impressum der Zeitung zu entnehmen sei. Eine Redaktionsmitarbeiterin habe die Existenz der Vereinigung und ihrer Website überprüft, ebenso die Richtigkeit ihrer Beratungstelefonnummer. Außerdem habe sie mit dem Bürgermeister über die Vereinigung gesprochen; er habe diesen Text bereits aus Facebook gekannt. Sollte die Beschwerdeführerin Probleme mit dem Inhalt haben, müsse sie gegen die Vereinigung statt gegen die Zeitung vorgehen. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Nach Ziffer 1 des Pressekodex sind unbearbeitet übernommene Pressemitteilungen als solche zu kennzeichnen. Die Bezeichnung als „Eilmeldung“ reiche dafür nicht aus. Außerdem verletzt die Veröffentlichung die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2. Denn verschiedene Tatsachenbehauptungen in dem Artikel sind in ihrer Pauschalität nicht zutreffend. Das vorangegangene Gespräch mit dem Bürgermeister stellt keine ausreichende Recherche dar, da er im Hinblick auf einen nationalen Katastrophenfall keine privilegierte Quelle ist. Vielmehr hätte es die Sorgfalt geboten, den Sachverhalt bei mindestens einer weiteren Quelle nachzurecherchieren. Die Zeitung kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie laut Impressum keine inhaltliche Verantwortung für namentlich gekennzeichnete Beiträge übernimmt. Sowohl presseethisch als auch presserechtlich trägt der Verlag für alle Veröffentlichungen im redaktionellen Bereich die volle Verantwortung. Der Beschwerdeausschuss rügt auch die gewählte Art der Darstellung: Sie ist unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11. Der Beitrag vermittelt den so nicht zutreffenden Eindruck, es bestünde eine sehr wahrscheinliche Gefahr eines großflächigen und langfristigen Blackouts, bei dem die Bevölkerung auf keine Hilfe von staatlichen Stellen hoffen könne. Durch diese unangemessen sensationelle Darstellung von drohendem Leid kann der Artikel unbegründete Ängste schüren.