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Für erweiterten Personenkreis identifizierbar

Regionalzeitung berichtet über ein Gewaltverbrechen unter Freunden

Unter der Überschrift „20-Jähriger nach Gewaltverbrechen in Thüringen festgenommen“ berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über einen jungen Mann, dem vorgeworfen wird, einen Freund umgebracht zu haben. Vier Tage, nachdem die Leiche gefunden worden sei, habe die Polizei den Tatverdächtigen festgenommen. Das Opfer und der mutmaßliche Täter werden jeweils mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Herkunftsort genannt. Im Artikel heißt es, Täter und Opfer hätten sich seit Kindheitstagen gekannt. Nach einigen gemeinsamen Schuljahren hätten sich – so die Zeitung – ihre Wege getrennt. Der mutmaßliche Täter sei der Polizei wegen Drogenkonsums und Verkehrsdelikten bekannt. Vor kurzem habe er nach Angaben eines Bekannten mit seinem Wagen einen Unfall gehabt. Sein Auto sei mit hoher Geschwindigkeit aus einer Kurve getragen worden und habe sich überschlagen. Bei dem Unfall – offenbar unter Drogeneinfluss – seien mehrere Personen verletzt worden. Die Polizei habe während der anschließenden Hausdurchsuchung Drogen sichergestellt. Ein Leser der Zeitung hält die Berichterstattung im Hinblick auf mehrere Kodexziffern für presseethisch bedenklich. Es würden Namen genannt wie bei Massenmördern. Zudem enthalte der Artikel Unwahrheiten. Der Presserat beschränkt das Verfahren auf die Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrecht). Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass man im Fall des verhafteten Tatverdächtigen den Familiennamen mit den Anfangsbuchstaben abgekürzt habe. Dies entspreche der üblichen Praxis bei der Berichterstattung über Ermittlungen zu Straftaten. Weder der Tatverdächtige noch sein Opfer oder Angehörige, Freunde und Bekannte der beiden seien durch die Berichterstattung für eine größere Öffentlichkeit identifizierbar. Die Redaktion geht davon aus, dass Tat und mutmaßlicher Täter im engeren regionalen Umfeld bekannt sind. Diese eingeschränkte Öffentlichkeit sei durch die Berichterstattung weder hergestellt noch vergrößert worden.