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Nationalität eines jungen Täters genannt

Fall eines jungen Rumänen zeigt exemplarisch den Abwägungs-Prozess

„18-jähriger Täter von Staatsanwalt nach Hause geschickt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über einen jungen Mann, der mit einem Messer und einem Gewehr bewaffnet zu seiner Ex-Freundin wollte und den Eltern des Mädchens dabei leichte Verletzungen mit dem Messer zufügte. Die Polizei – so die Zeitung – habe ihn festgenommen, dann aber wieder freigelassen, da der Staatsanwalt auf eine Vorführung beim Untersuchungsrichter verzichtet habe. In der Berichterstattung wird zweimal erwähnt, dass der junge Mann rumänischer Staatsbürger sei. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Angabe der Nationalität des Tatverdächtigen. Diese sei nicht von öffentlichem Interesse. Der Chefredakteur der Zeitung betont, dass die Redaktion immer berücksichtige, dass die Berichterstattung über individuelles Fehlverhalten unter Umständen zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung führen könne. Deshalb prüfe man selbstverständlich im Einzelfall sehr genau die Veröffentlichung der Nationalität eines Tatverdächtigen. Man habe als Regionalzeitung aber auch zu berücksichtigen, dass eine Nichterwähnung der Herkunft ebenfalls zu Fehlinterpretationen führen und der Glaubwürdigkeit der Zeitung schaden könne. Zumeist gebe es gute Gründe, die für oder gegen die Nennung der Herkunft sprächen. Der vorliegende Fall zeige exemplarisch diesen Abwägungsprozess. Der Chefredakteur teilt mit, die Redaktion habe bei dieser Straftat ein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung der Nationalität des Tatverdächtigen erkannt. Gerade in der Lokalberichterstattung über Straftaten vor der eigenen Haustür forderten Leser dem Chefredakteur zufolge eine detaillierte Berichterstattung, die ihnen Angaben über Täter und Tatverdächtige nicht bewusst vorenthalte.