Ausriss enthält das Wort „Zigeuner“
Wiedergabe durch die Redaktion ist kein Kodex-Verstoß
Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Vor 120 Jahren“. Der Artikel ist ein Ausriss aus einer Tageszeitung, erschienen im Jahr 1902. Thema ist eine seinerzeit aktive Diebesbande. Darin enthalten ist diese Passage: „In der Wohnung eins Arbeiters, der als Stabschläger in Pasewalk arbeitet, an dem Tage jedoch zu Hause war, benutzte eine Zigeunerin, als sie einen Augenblick allein im Zimmer war, die günstige Gelegenheit und stahl aus einer Kommode die Ersparnisse der Familie im Betrag von 100 Mark. Der Diebstahl wurde jedoch sofort bemerkt, die Zigeuner wurden verfolgt und ihnen das Geld wieder abgenommen.“ Ein Leser der Zeitung sieht in dem unkommentierten Nachdruck des Artikels aus dem Jahr 1902 eine Verletzung des Pressekodex. Hier würden rassistische Klischees ebenso gedankenlos wiedergegeben, wie die Anwendung körperlicher Gewalt gegen ethnische Minderheiten durch das unkommentierte Zitieren nachträglich gebilligt werde. Dies scheine vor dem Hintergrund des von den Deutschen verübten Genozids an den Sinti und Roma und der latent fremdenfeindlichen Stimmung in Teilen der Bevölkerung Vorpommerns nicht akzeptabel. Der Chefredakteur der Zeitung trägt vor, dass sich der kritisierte Beitrag durch den Ausriss-Charakter klar von den übrigen redaktionellen Inhalten der Zeitung unterscheide. Schon durch die Überschrift „Vor 120 Jahren“ werde klar, dass es sich nicht um einen aktuellen Beitrag der Redaktion, sondern um einen Nachdruck handele. Der Leserschaft dürfte bewusst sein, wie die historischen Texte einzuordnen seien und dass sich die Redaktion deren Inhalte in keiner Weise zu Eigen mache. Dazu bedürfe es keiner wortreichen Einordnung.