Fotoveröffentlichung ausnahmsweise zulässig
Zeitung hält sich im Rahmen der Verdachtsberichterstattung
In Ihrer Online-Version berichtet eine Boulevardzeitung unter der Überschrift „Christian B. war in Tatortnähe, hat kein Alibi – Hat Maddies mutmaßlicher Mörder mit dem Verschwinden von Inga zu tun?“, dass der mutmaßliche Mörder von Maddie in Sachsen-Anhalt gewesen sei, als Inga verschwand. Nun sei er in den Fokus der Ermittler geraten. Zum Fall Maddie heißt es im Bericht, der Fall könne vor der Aufklärung stehen: „Der mutmaßliche Täter sitzt in Kiel im Gefängnis. Viele Spuren deuten darauf hin…“ (gemeint ist Christian B.) Dann wurde der Bericht abgeändert. In der Neufassung enthielt er ein unverpixeltes Foto des Opfers Inga und auch ein unverfremdetes Bild von Christian B. Zum Beitrag gestellt ist ein Video zum Fall Inga. In der späteren Version ist noch ein weiteres Video beigefügt. Darin erläutert ein Reporter die Ähnlichkeiten der beiden Fälle. Der Presserat erhält zu der Berichterstattung zwei Beschwerden. Nach Auffassung eines Beschwerdeführers verstößt die Berichterstattung gegen mehrere presseethische Grundsätze. Im Beitrag werde der Opferschutz missachtet und zudem ein Foto des Verdächtigen gezeigt, der weder zur Fahndung ausgeschrieben noch angeklagt sei. Der andere Beschwerdeführer macht einen Verstoß gegen Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) geltend. Die Zeitung zeige das unverpixelte Bild eines Verdächtigen, der bisher nicht der Tat überführt worden sei. Für die Zeitung nimmt deren Chefredakteur Stellung. Nach seiner Ansicht habe es nur selten Kriminalfälle gegeben, an denen ein vergleichbar überragendes öffentliches Interesse bestanden habe. Auch die Unschuldsvermutung werde penibel gewahrt. Die Identifizierbarkeit des Verdächtigen Christian B. tangiere keine Vorgaben des Pressekodex. Die gebotene Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und den Persönlichkeitsrechten des mutmaßlichen Täters habe die Redaktion verantwortungsbewusst und differenziert vorgenommen. Aus der Berichterstattung gehe zudem eindeutig hervor, dass es noch keine gerichtliche Verurteilung gebe. Damit werde die Grenze zur Vorverurteilung eingehalten. Zur Veröffentlichung des Fotos der Verschwundenen Inga trägt der Chefredakteur vor, dass kein Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 des Kodex vorliege. Die Polizeiinspektion Sachsen-Anhalt Nord suche auf der öffentlich zugänglichen Internetseite nach der Vermissten mit dem auch von der Zeitung veröffentlichen Bild.