Mitglied in bundesweitem Pädophilen-Rings
Mutmaßlicher Täter hätte nicht identifizierbar abgebildet werden dürfen
Eine Großstadtzeitung berichtet auf der Titelseite unter der Überschrift „Das Monster aus der Laube“ über Enrico L. aus F., der Mitglied eines bundesweiten Pädophilen-Rings sein soll. L. habe jahrelang Kinder missbraucht. Er sitze in U-Haft. Die Titelseite erscheint auch auf der Facebook-Seite der Zeitung. Der Festgenommene wird identifizierbar abgebildet. Zahlreiche Details aus seinem Leben werden genannt. Ein Leser kritisiert die Redaktion, die das Foto veröffentlicht hat, das einen mutmaßlichen Straftäter darstellen solle. Damit werde gegen die im Pressekodex gebotene Unschuldsvermutung verstoßen. Die Chefredakteurin der Zeitung teilt mit, die Zerschlagung des Pädophilen-Rings um Adrian V. sei der größte Erfolg der Polizei in diesem Jahr gewesen. Deshalb sei das öffentliche Interesse – auch an personalisierter Darstellung - außerordentlich groß. In der Abwägung müssten die persönlichkeitsrechtlichen Schutzinteressen des Tatverdächtigen zurückstehen. Die unverpixelte Abbildung von Enrico L., der tief in den Fall verwickelt sei, sei pressethisch in keiner Weise zu beanstanden. Für den verständigen Durchschnittsleser sei schon beim ersten Blick auf die Titelseite klar, dass es noch keine abschließende Verurteilung gegeben habe. Die Chefredakteurin kommt zu dem Ergebnis, dass die Öffentlichkeit bei gravierenden Fällen wie diesem Anspruch darauf habe, über Tat und Täter – und zwar auch personalisiert – informiert zu werden.