Vater eines Opfers sucht nach der Wahrheit
Dreh- und Angelpunkt ist die Sondergenehmigung der Lufthansaärzte
„Ein Mann kämpft um die Wahrheit im Fall Lubitz“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung über den Vater eines Opfers der Germanwings-Katastrophe, bei der der Co-Pilot 149 Menschen und sich selbst tötete, indem er seine Maschine in den französischen Alpen mit voller Absicht abstürzen ließ. Die Autoren des Textes schildern die Recherchen des Vaters. Eine Passage lautet: „Wie nach der Katastrophe bekannt wurde, hatte der Massenmörder schwere psychische Probleme und war 2008 – noch vor seiner Zeit als angestellter Pilot – wegen einer Depression monatelang krankgeschrieben gewesen. Der Vater eines der Opfer habe Strafanzeige gegen die Fliegerärzte der Lufthansa gestellt. Bei der Begutachtung von Andreas Lubitz seien gravierende Fehler festgestellt worden. Dies hätten er und sein Anwalt herausgefunden. Auch die Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde sei mangelhaft gewesen. Dreh- und Angelpunkt der Anzeige sei die Sondergenehmigung der Lufthansa. Der zufolge habe Lubitz sein Fliegertauglichkeitszeugnis und die mit der Lizenz verbundene Sondergenehmigung erhalten. Diese hätte nach Ansicht des Vaters und seines Rechtsbeistandes nur das Luftfahrtbundesamt erlassen dürfen. Die Redaktion bezieht sich darüber hinaus auf Aussagen von Medizinern. Nach deren Meinung hätte gerade im Fall Lubitz unter Einbeziehung des Luftfahrtbundesamts engmaschiger kontrolliert werden müssen. Der Vater des Opfers gehe deshalb davon aus, dass Lubitz ohne gültige Fluglizenz geflogen sei. Er schreibt, bei Einhaltung der Gesetze und Verordnungen hätte der Massenmord vermieden werden können. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, das Geschehen werde von der Redaktion so dargestellt, als seien Vorsatz und Verschulden feststehende Tatsachen. Dies sei aufgrund des aktuellen Verfahrensstandes irreführend, da bislang keine entsprechenden Daten von Fachleuten veröffentlicht worden seien. Andreas Lubitz werde durch die Veröffentlichung von Details seiner Krankengeschichte in seiner Ehre verletzt und als Person herabgewürdigt. Für die Bewertung der medizinischen Unterlagen sei weder der Vater noch sein Rechtsbeistand qualifiziert. Dies komme in dem Artikel nicht ausreichend zum Ausdruck. Die Beschwerdeführerin hält auch den Begriff „Massenmord“ bzw. „Massenmörder“ für presseethisch nicht vertretbar. Darauf konzentriert sich der Presserat, der den Fall im Hinblick auf die Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) behandelt. Der Justiziar der Zeitung räumt ein, dass der Begriff „Massenmörder“ plakativ, aber auf der Basis pressethischer Grundsätze nicht zu beanstanden sei. Ein Verstoß gegen die in Ziffer 13 definierte Unschuldsvermutung liege nicht vor. Die Berichterstattung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem man nicht mehr von der Unschuld des Co-Piloten Lubitz habe ausgehen können. Vielmehr habe Lubitz seit der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Marseille zwei Tage nach der Katastrophe als Täter gegolten. Zusammenfassend hält der Justiziar fest, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Person des Co-Piloten aufgrund der vielen noch unbeantworteten Fragen immer noch so hoch sei, dass sein Würdeschutz weiter zurückstehen müsse. Durch die Berichterstattung würden weder medizinische Unterlagen bewertet, noch könne von einer unangemessen sensationellen Darstellung die Rede sein.