Details einer Vergewaltigung geschildert
Chefredakteur: Bedauerlicherweise nicht journalistisch bearbeitet
Eine Regionalzeitung berichtet über den Prozess gegen einen Angeklagten, der eine Frau vergewaltigt haben soll. Im Text wird der genaue Tathergang der Vergewaltigung chronologisch und detailliert beschrieben. Die Zeitung schreibt, wie der „Angeklagte ihre Brüste berührt und mehrfach versucht“ habe, „ihre Hose zu öffnen“, wie er „mehrfach über der Kleidung die Brüste der Zeugin gedrückt“ habe und wie er schließlich „ihre Hose heruntergezogen, ebenso die Unterhose und sein Glied ohne Kondom in die Scheide eingeführt habe“. Er habe „bis zur Ejakulation die Zeugin penetriert“, bis diese flüchten konnte. Eine Leserin der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde). Die Würde des Opfers sei ihrer Ansicht nach mit der detailreichen Schilderung des Tathergangs mehr als verletzt worden. Würde der Verfasser bzw. die Verfasserin so etwas in der Zeitung lesen wollen, wenn es ihn bzw. sie selbst als Opfer beträfe? Die Leserin sieht auch einen Verstoß gegen die Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Die Redaktion habe über das Informationsinteresse der Leserschaft hinaus über die Tat berichtet. Den Lokalteil der Zeitung läsen zudem auch Kinder. Der Jugendschutz sei in diesem Fall nicht beachtet worden. Der Chefredakteur schreibt in seiner Stellungnahme, die Inhalte des beanstandeten Artikels seien dem Pressespiegel des Landgerichts entnommen und bedauerlicherweise nicht journalistisch bearbeitet worden. Deshalb enthalte der Beitrag Passagen, die so nicht hätten veröffentlicht werden dürfen. Der Redaktionsleiter habe eine Entschuldigung an die Leserinnen und Leser geschrieben. Es habe sich um ein Versehen gehandelt, das die Redaktion sehr bedauere. Der beanstandete Artikel sei neu formuliert und an der gleichen Stelle wie der Ursprungstext publiziert worden. Der ursprüngliche Artikel sei auch aus dem Online-Angebot entfernt worden.