Redaktion hätte abwertende Nutzerkommentare löschen müssen
Bemerkungen zum Aussehen einer Politikerin waren ehrverletzende Schmähkritik
Unter einem Online-Beitrag über die Linken-Spitzenkandidatin zur Europawahl 2024 veröffentlicht eine überregionale Tageszeitungsredaktion verschiedene Leser-Kommentare. Darin heißt es unter anderem: „Naja, ohne Schnurrbart wäre sie ansehnlicher.“ „Diese Postkommunisten gehören auf den Müllhaufen der Geschichte, wie die braune Brut der AfD.“ „Erstmal rasieren.“ „Die Frau (...) sollte zuerst einmal ihre Dreads abschneiden, denn laut Narrativ der Linken ist diese Frisur ja kulturelle Aneignung.“ „Ein BH wäre auch nicht verkehrt.“ - Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung der Kommentare. Kritik an diesen diffamierenden, beleidigenden Beiträgen sei dagegen nicht veröffentlicht worden. - Der Digital-Chefredakteur bestreitet, dass die Redaktion Hetze dulde. Mit immensem Moderationsaufwand und mithilfe Künstlicher Intelligenz versuche sie täglich, bis zu 30.000 Nutzerkommentaren Herr zu werden. Dabei würden Fehler gemacht, und auf die werde selbstverständlich reagiert. Allerdings gehörten Diskussionen über Moderations-Entscheidungen nicht in den Kommentarbereich, sondern müssten per Mail geführt werden. So stehe es in den verlinkten Regeln am Eingang des Kommentarbereichs. Dementsprechend seien in diesem Fall die kritischen Kommentare zur Moderation gelöscht worden. Zu den beanstandeten Kommentaren schreibt der Chefredakteur: Da sei sicher nicht jeder besonders geschmackvoll, aber Beleidigungen könne er darin beim besten Willen nicht erkennen. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Die Nutzerkommentare beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild der Politikerin und ihre körperlichen Merkmale. Diese abwertenden Äußerungen, die jede Sachebene der politischen Diskussion verlassen, überschreiten die Grenze zur Schmähkritik und sind dazu geeignet, die Frau in ihrer persönlichen Ehre nach Ziffer 9 des Pressekodex zu verletzen. Außerdem hat die Redaktion gegen Ziffer 2 verstoßen. Demnach tragen Redaktionen Verantwortung auch für die von Nutzern beigesteuerten Inhalte. Die Redaktion hätte die abwertenden Kommentare löschen müssen, nachdem sie davon erfahren hat.