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Zurückhaltung in Fällen von Selbsttötung

Zeitung berichtet angemessen über vermutlichen Suizid am Bahnhof

Eine vermutliche Selbsttötung am Bahnhof einer Kleinstadt ist Thema in einer Regionalzeitung. Es heißt, ein Mann sei von einem Güterzug überrollt worden. Bei ihm soll es sich um einen 52-Jährigen aus dem Ort handeln. Er habe identifiziert werden können, da man bei ihm einen Schließanlagen-Schlüssel gefunden habe, den man habe zuordnen können. Die Zeitung berichtet, auf Grund des Vorfalls sei es zu zwei Zugausfällen gekommen. Ein Leser der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Berichterstattung über den vermutlichen Suizid zu detailliert ausgefallen ist. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass die Richtlinie 8.7 des Pressekodex kein Verbot enthalte, über vermutliche Selbsttötungen zu berichten. Die Richtlinie lege der Presse lediglich Zurückhaltung bei der Berichterstattung auf. Daraus ergebe sich, dass die Berichterstattung über Selbsttötungen an sich presseethisch vertretbar sei. Als regional einzige Tageszeitung – so der Chefredakteur – sei man gehalten, die Öffentlichkeit über Vorfälle transparent zu informieren, die im öffentlichen Interesse lägen. Es sei für die lokale Öffentlichkeit von Interesse gewesen, über den Grund für einen mehrstündigen Zugausfall wahrheitsgemäß informiert zu werden. Im konkreten Fall habe man das öffentliche Interesse ausgesprochen hoch gewichtet, da der Zugausfall nicht durch einen Schienenersatzverkehr kompensiert worden sei. Dies habe in der Leserschaft ein hohes Interesse und auch entsprechenden Ärger ausgelöst. Die vom Kodex geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung sei umfassend beachtet worden. Umfangreiche Einsätze von Feuerwehr und Polizei hätten sich in der Öffentlichkeit abgespielt. Sie seien – so der Chefredakteur abschießend – Stadtgespräch gewesen. Um Spekulationen zu begegnen, habe die Redaktion den Sachverhalt verantwortungsvoll und zurückhaltend aufgegriffen und sachlich-nüchtern berichtet.