Mit einem Foto wurde eine Grenze überschritten
Mann verletzt einen Säugling schwer und stürzt aus dem zehnten Stock
Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Bericht unter der Überschrift „Mann sticht auf Säugling ein und stürzt vom Balkon“. Der Artikel berichtet mit beigestelltem Foto sowie einem Video über den tödlichen Sturz eines Mannes aus dem zehnten Stock eines Wohnhauses. Ein Polizist habe noch versucht, ihn festzuhalten. Zuvor hatte der Mann in der Wohnung einen Säugling mit einem Messer schwer verletzt. Ein Leser der Zeitung ist der Auffassung, dass das der Berichterstattung beigestellte Foto unangemessen sei, da es zeige, wie ein Mensch in die Tiefe stürzt. Der Chefredakteur erinnert an den 11. September 2001. Damals sei weltweit auch mit Bildern und Videos berichtet worden, wie verzweifelte Menschen aus den Türmen des World Trade Centers in den Tod gesprungen seien. Die Öffentlichkeit habe besonders bei spektakulären Straftaten ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend und durchaus personalisierend und unter Einbeziehung von Bildern informiert zu werden. Es gehe in diesem Fall um die Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem besonders schweren Fall. Der Vorfall habe ganz Deutschland schockiert. Der Chefredakteur stellt deshalb ein besonderes öffentliches Interesse an dem Vorgang fest. Er hebt auch hervor, dass das beanstandete Foto von einer Nachrichtenagentur stamme. Warum sollte die Agentur hier presseethikkonform berichtet haben, seine Zeitung aber nicht? Letztlich – so der Chefredakteur – habe die Redaktion nicht nur den abgebildeten Polizisten, sondern auch das Gesicht des Tatverdächtigen unkenntlich gemacht. Auch deshalb könne nicht von einer unangemessen sensationellen Darstellung gesprochen werden.