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Mann stößt eine Frau vor fahrenden Zug

Einwilligung in identifizierende Berichterstattung lag nicht vor

„Gleiskiller wegen Diebstahls und Körperverletzung bekannt“ – so überschriebt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Artikel, in dem die Redaktion über einen tödlichen Vorfall an einem Bahnhof berichtet. Ein Mann (28) hatte eine Frau (34) vor einen einfahrenden Zug gestoßen. Der Festgenommene wird mit Foto gezeigt und als „Jackson B.“ bezeichnet. Die Zeitung teilt mit, dass der Mann Serbe kosovarischer Herkunft sei. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes des Festgenommenen. Durch das veröffentlichte Bild werde er eindeutig identifizierbar. Auch die Angabe seiner Herkunft sei nicht durch ein begründetes öffentliches Interesse gedeckt. Der Chefredakteur betont, dass es sich in diesem Fall um eine außergewöhnlich schwere und ihrer Art und Dimension besondere Straftat handele. Zudem sei das Verbrechen in der Öffentlichkeit begangen worden. Somit überwiege das öffentliche Interesse den Persönlichkeitsschutz des Täters. Es sei – so der Chefredakteur – nicht zu beanstanden, dass der Vorname des Festgenommenen genannt und das Foto veröffentlicht worden sei. Die Nennung der Herkunft des Mannes habe schlicht zur Nachricht gehört. Sie stelle eine wichtige Hintergrundinformation dar, zumal der Festgenommene bereits polizeibekannt gewesen sei und zuvor offenbar die gesamte Nachbarschaft belästigt habe. Der Chefredakteur argumentiert weiter, dass das Foto der getöteten Frau aus einem öffentlich zugänglichen Beitrag bei Facebook stamme, in dem der Ehemann des Opfers offen mit dem Tod seiner Frau umgehe.