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Zeitung nennt Herkunft eines Vergewaltigers

Afghane steht im Verdacht, einen 17-Jährigen missbraucht zu haben

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Afghane (17) vergewaltigt 18-Jährigen“. Sie informiert über die Festnahme eines jungen Mannes, der im Verdacht steht, einen fast Gleichaltrigen vergewaltigt zu haben. Der Verdächtige stamme aus Afghanistan und sei Flüchtling. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Hinweis auf den Flüchtlingsstatus des Verdächtigen. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Kodex. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass die Redaktion an der in derartigen Fällen regelmäßig vertretenen Auffassung festhalte. Die Öffentlichkeit habe insbesondere bei spektakulären Straftaten, die sich im öffentlichen Raum ereigneten, ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend informiert zu werden. Dass dieses presseethische Verständnis branchenüblich sei, zeige im konkreten Fall die nahezu identische Berichterstattung anderer Medien. Die Redaktion habe auf den Flüchtlingsstatus hingewiesen, weil die Information journalistisch zur Geschichte gehöre. Die Leser hätten ein Recht auf diese Information. Die Nennung der Herkunft führe nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Im Übrigen sei ohnehin ein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung des Flüchtlingsstatus gegeben. Eine Verurteilung des Tatverdächtigen zu einer Haftstrafe von nicht unter zwei Jahren sei wahrscheinlich, was aufenthaltsrechtlich zu einer besonderen Gewichtung des staatlichen Ausweisungsinteresses führen könne. Da somit in der Verhandlung mittelbar auch über die Bleibeperspektive des Verdächtigen entschieden werde, sei die Nennung des Flüchtlingsstatus nicht zu beanstanden.