Leserbriefschreiber diskriminiert Homosexuelle
Die Redaktion trägt für Einsendungen die volle Verantwortung
In einer Lokalzeitung erscheint ein Leserbrief unter der Überschrift „Die Bürger sollen entscheiden“. Es geht um die bevorstehende Entscheidung über die Homo-Ehe. Der Autor merkt an, dass Manager hinter Gitter säßen, Prominente sich immer häufiger als schwul outeten, Abgeordnete sich durch Kinderfotos korrumpierten und Millionäre Steuern hinterzögen. Der Leserbriefschreiber stellt die Frage, ob Leute aus diesen Kreisen die Parlamentarier drängten, eine „abartige Lebensform“ per Gesetz aufzuwerten. Er stellt die Behauptung auf, dass Homosexuelle „gewollt nicht zu dieser Gesellschaft“ stünden. Zwei Tage nach Erscheinen des Leserbriefs nimmt die Redaktion Stellung und teilt mit, dass sie die Ansichten des Einsenders nicht teile. Sie bedauere, dass sich viele Menschen durch die Aussagen des Verfassers verletzt fühlten. Allerdings werde die Zeitung künftig auch dann Leserbriefe veröffentlichen, wenn die darin geäußerten Ansichten nicht jedermanns Geschmack seien. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung eine Verletzung der Menschenwürde und eine Diskriminierung. Homosexualität sei im Gegensatz zu den indirekt angeführten Delikten keine Straftat. Sie werde von dem Verfasser des Leserbriefs jedoch als moralisch verwerflich dargestellt. Homosexualität als „abartige Lebensform“ darzustellen, sei diskriminierend und ehrverletzend. Letzteres gelte auch für die Unterstellung, dass Homosexuelle nicht zur demokratischen Grundordnung stünden. Der Chefredakteur der Zeitung hält den Leserbrief zwar für polarisierend, aber im Rahmen des Zulässigen. Die Redaktion habe zu der veröffentlichten Einsendung ihren eigenen publizistischen Standpunkt klar definiert. Damit sei für sie der Fall erledigt.