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„Kirchen missachten Asyl-Regeln“

Überregionale Zeitung veröffentlicht ein missverständliches Video

Eine überregionale Zeitung veröffentlicht online unter dem Titel „Kirchengemeinden missachten Regeln beim Kirchenasyl“ einen Videobericht zu diesem Thema. Ein Leser der Zeitung kritisiert, die darin enthaltene Behauptung, die Gemeinden müssten seit 2015 Dossiers über Menschen im Kirchenasyl an Behörden schicken, sei sachlich falsch und stehe damit im Widerspruch zu den Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit) und 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) des Pressekodex. 2015 – so der Beschwerdeführer – seien keine Regeln vereinbart worden, an die die Kirchengemeinden sich hätten halten müssen. Das Dossier-Verfahren sei vielmehr vereinbart worden als Angebot des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), um die Aufenthaltsdauer im Kirchenasyl in Härtefällen durch beschleunigte Prüfung zu verringern und in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die betreffende Person besonders schwerwiegenden, humanitären Härten ausgesetzt ist. Die Behauptung der Zeitung, Regierung und Kirchen hätten 2015 vereinbart, dass das Kirchenasyl nur bei Zusammenarbeit der Gemeinden mit den Behörden geduldet werde, sei mehrfach falsch. Es habe keine Vereinbarung „der Kirchen“ mit irgendeiner „Regierung“ geben, sondern lediglich zwischen Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche und der Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung weist den Vorwurf falscher Berichterstattung zurück. Zwar sei es richtig, dass die genannte Regel von der Kirche aufgestellt worden sei, doch sei dies für die Bewertung unerheblich, ob die Kirchengemeinde die Regeln missachte. Dass die Regeln missachtet würden, bestätige Prälat Karl Jüsten, der das Berliner Büro der Deutschen Bischofskonferenz leitet. Das habe die Zeitung in einem Bericht geschrieben, der zeitgleich zum Video erschienen sei. Der Chefredakteur räumt ein, dass die Formulierung, Regierung und Kirchen hätten 2105 vereinbart, dass Kirchenasyl nur bei Zusammenarbeit der Gemeinden mit den Behörden geduldet werde, zu stark überspitzt sei und damit nicht der Wahrheit entspreche. Diese Formulierung tue der Redaktion leid. Das Video habe sie deshalb gelöscht.