Wissenschaftler und das Ende des Eisbären Knut
Keine presseethische Verpflichtung zur Einhaltung von Sperrfristen
Online und tags darauf gedruckt berichtet eine Großstadtzeitung unter der Überschrift „Das Rätsel um den Tod von Eisbär Knut ist gelöst“ über das Ende des einst bundesweit bekannten und geliebten Eisbär-Babys. Der Zeitung zufolge sei er an einer Autoimmunerkrankung verendet. Das Tier war 2011 wegen eines epileptischen Anfalls ins Wasser gefallen und ertrunken. Wissenschaftler hätten in den folgenden Jahren gerätselt, was die Todesursache habe sein können. Erst eine Zusammenarbeit von Hirn- und Wildtierforschern habe die Lösung gebracht. Wörtliche Passage: „Wie das Wissenschaftsmagazin Scientific Reports berichtet, hat Harald Prüß, Wissenschaftler am Berliner Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen Bonn und Facharzt an der Klinik für Neurologie an der Charité, den Autopsiebericht über Knut gelesen und Parallelen zu seinen Studien über menschliche Hirnerkrankungen festgestellt. Mit seinem Kollegen Alex Greenwood, dieser leitet am Leibniz-Institut für Wildtierforschung Berlin die Abteilung Wildtierkrankheiten, entdeckte er eine Autoimmunerkrankung, die bisher nur bei Menschen bekannt war und sich mit Medikamenten gut behandeln lässt.“ Beschwerdeführer ist der Forschungsverbund Berlin. Dieser setzt sich zusammen aus den drei Berliner Forschungseinrichtungen Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Charité und Universitätsmedizin Berlin und Deutsches Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen. Der Forschungsverbund habe kürzlich die tatsächliche Todesursache des Berliner Eisbären Knut herausgefunden. Dessen tragischer Tod habe 2011 weltweit Beachtung gefunden. Die Todesursache sei wissenschaftlich von größtem internationalem Interesse. Der Forschungsverbund habe seinerzeit ausgewählte Medienvertreter zu einer Pressekonferenz eingeladen. Diese sei mit einer strikten Sperrfrist belegt gewesen. Die Zeitung habe jedoch sofort berichtet und damit die Sperrfrist missachtet. Dies sei ein Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Da zum Zeitpunkt des „Embargo-Bruchs“ das wissenschaftliche Manuskript noch nicht veröffentlicht gewesen sei, habe für die Wissenschaftler die akute Gefahr bestanden, dass das Manuskript von der Zeitschrift Scientific Reports als bereits veröffentlicht zurückgewiesen werden könnte. Die jahrelange Forschung der international renommierten Arbeitsgruppen wäre damit entwertet worden. Der Forschungsverbund hält das Verhalten der Redaktion auch anderen Medien gegenüber, die sich an die Sperrfrist gehalten hätten, für höchst unfair. Die Chefredaktion der Zeitung gibt zu der Beschwerde keine Stellungnahme ab.