Leserkommentar „unterirdischer Tiefpunkt“
Redaktion nimmt zu einer Nutzermeinung auf Facebook scharf Stellung
Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Die ertrunkenen Kinder, denen niemand helfen wollte“ einen Beitrag, in dem es um die Details der Flucht des vierjährigen syrischen Jungen Aylan und seiner Familie geht. Ein Foto zeigt, wie das tote Kind von Polizisten weggetragen wird. Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite der Zeitung gepostet. Die Folge sind zahlreiche Kommentare. Die Diskussion driftet schnell in eine allgemeine Debatte über die Flüchtlingspolitik in Deutschland ab. Eine Leserin spricht von Syrern als „Pack“ und beklagt ein Totalversagen der EU und der Bundesregierung. Alle, die das derzeitige Asylrecht in Frage stellten, würden gleich als Nazis, Rechtsradikale oder Asylantenhasser hingestellt. Die Redaktion kommentiert diese Äußerungen so: „Das sind deine Gedanken beim Anblick dieses Bildes? Wahnsinn, Birgit! Dieser Kommentar ist heute mit Abstand der unterirdische Tiefpunkt. Niemand will dich mundtot machen. Du hast auch hier Platz für eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Offenbar ist aber in deiner Wut auch der letzte Funken Menschlichkeit fortgespült worden. Mit diesem Kommentar hast du gezeigt, wes Geistes Kind du bist – und das ist wirklich erschütternd.“ Andere Kommentarverfasser kritisieren daraufhin den Kommentator der Redaktion, der sich nicht neutral verhalten habe. Eine Nutzerin der Online-Ausgabe hält dessen Kommentar für unangemessen und teilweise ehrenrührig. Der stellvertretende Chefredakteur des Online-Auftritts der Zeitung hält es für ungeklärt, ob Äußerungen von Lesern in den Kommentarbereichen digitaler Zeitungen unter den Kriterien des Pressekodex zu bewerten seien. Sollte der Presserat zu dem Schluss kommen, dass für den Inhalt der Leser-Kommentare allein die Redaktionen verantwortlich seien, so müssten wohl umgehend die meisten Kommentarspalten und Social Media Profile abgeschafft werden. Die Redaktion habe in diesem Fall auf einen pietätlosen Kommentar in aller Schärfe reagiert. Der Redaktions-Kommentar bewege sich nicht, wie von der Beschwerdeführerin vermutet, im „strafrechtlichen“ und „ehrenrührigen“ Bereich. Er stelle vielmehr eine Verwarnung dar, wie sie auf der Facebook-Seite der Zeitung üblich sei und auf manchen Facebook-Seiten wünschenswert wäre.