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Zeitung missachtet den Opferschutz

Mutter und Kind wurden in Wort und Bild identifizierbar dargestellt

„Warum mussten Niklas und seine Mutter sterben?“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über die Tötung einer Frau und ihres Sohnes. Der Ex-Freund der Frau und Vater des Kindes stehe im Verdacht, beide getötet zu haben. Die Betroffenen werden jeweils mit dem Vornamen, dem abgekürzten Nachnamen und ihrem Alter bezeichnet. Über den mutmaßlichen Täter berichtet die Zeitung, er stamme aus Bonn. Der Artikel ist illustriert mit Porträtfotos der Beteiligten. Er enthält einen Hinweis auf einen polizeilichen Fahndungsaufruf. Dazu heißt es im Beitrag: „Die Polizei sucht jetzt dringend Zeugen und fragt: Wer hat Marc S. gesehen? Wer weiß, wo er sich aufhält? Hinweise bitte telefonisch an: 0228-150 oder 110.“ Nach Ansicht eines Lesers der Zeitung verletzt der Beitrag Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Es verstoße gegen die Richtlinien 8.2 und 8.3 des Pressekodex (Opferschutz bzw. Kinder und Jugendliche), die Fotos der Opfer ohne Verpixelung abzudrucken. Auch verstoße es gegen den Kodex, ihre Namen in der vorliegenden Form zu veröffentlichen. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung sei es gerechtfertigt gewesen, die Fotos der Opfer zu veröffentlichen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Polizei mit Fotos nach dem mutmaßlichen Täter gefahndet. Durch die gewählte Form der Information habe die Redaktion die Bevölkerung motivieren wollen, die Augen in der Öffentlichkeit offen zu halten. Der Erfolg eines Fahndungsaufrufs hänge grundlegend davon ab, im welchem Umfang und mit welchem Detailreichtum über einen solchen Fall berichtet werde.