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„Da war so eine Asylantin da“

Zeitung greift einen Arzt wegen mangelhafter Behandlung an

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht online eine Reportage, in der es um die Begegnung der Einwohner eines kleinen bayerischen Ortes mit Flüchtlingen geht, die in dem Dorf untergebracht sind. Der Autor berichtet über ein gemeinsames Fest, das Dorfbewohner und die Neuankömmlinge gemeinsam feiern. Schicksale werden beschrieben und Akteure beider Seiten kommen zu Wort. Unter anderem seien Bilder von Flüchtlingen ausgehängt worden. Darunter zeigt eines „Savan“, ein 16-jähriges Mädchen aus Somalia, das leicht hinke und bei dem Fest anwesend gewesen sei. Der Autor schreibt von unübersehbaren Brandmalen im Gesicht des Mädchens. In der Reportage heißt es, insgesamt sei die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen positiv. Es seien jedoch auch „Ausfälle“ zu verzeichnen. Der Journalist schildert das Schicksal der jungen Somalierin, die in ihrem Land vergewaltigt, mit Benzin übergossen und angezündet worden sei. Unter den Folgen leide sie heute noch. Sie werde von den Schmerzen der Brandwunden geplagt. Sie habe sich in die Obhut eines in der Gegend bekannten, namentlich genannten Arztes begeben. Die Zeitung kritisiert, dass das Mädchen dort nicht mit der gebotenen christlichen Nächstenliebe und ärztlichen Sorgfaltsplicht behandelt worden sei. Auf Nachfrage der Zeitung habe er gesagt: „Ja, da war gestern so eine Asylantin da. (..) Die hat nur eine Sehnenverkürzung im Fuß, so einen kosmetischen und plastischen Eingriff würde man nicht mal bei Einheimischen vornehmen.“ Er habe dem Mädchen gegen die Brandwunden Niveacreme empfohlen. Eine Leserin der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. An mehreren Punkten sei die Berichterstattung nicht sorgfältig oder ganz falsch. Der Autor des Beitrages beschreibe die junge Somalierin falsch und ohne sie je getroffen zu haben. Weder habe sie Narben im Gesicht, noch hinke sie, wie im Text geschrieben worden sei. Die „Brandwunden“, von denen der Journalist schreibe, seien Narben von längst verheilten Wunden. Hinzukomme, dass die beschriebene junge Frau an dem Fest im Dorf gar nicht teilgenommen haben könne, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Weg nach Deutschland gewesen sei. Sie habe überdies in die Nennung ihres Namens und die Schilderung ihres Schicksals nicht eingewilligt. Die Beschwerdeführerin kritisiert auch, dass der Arzt aufgrund der Schilderungen im Text identifizierbar sei. Die Berichterstattung sei an dieser Stelle anprangernd, verleumdend und schlecht recherchiert. Der Autor habe die Geschehnisse nur aus zweiter Hand erfahren. Er habe mit keinem der Beteiligten gesprochen. Die Berichterstattung könne zur Folge haben, dass weniger Ärzte aus Angst vor derartigen Vorwürfen Asylbewerber behandelten. Die Chefredaktion der Zeitung hält den beanstandeten Text für korrekt. Die Schilderung der Narben sei nicht zu kritisieren. Ob die junge Somalierin an dem geschilderten Fest teilgenommen hat, sei nicht mehr nachzuvollziehen. Sollte die Beschwerdeführerin in diesem Punkt Recht haben, handele es sich um einen presseethisch nicht zu beanstandenden Fehler. Die Berichterstattung über den behandelnden Arzt als anprangernd und verleumdend zu empfinden, sei eine Frage des persönlichen Standpunkts. Die Beschwerdeführerin empfinde den Arzt als rechtschaffend, passioniert, verantwortungsvoll, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit stets um das Wohl seiner Patienten besorgt, voller Empathie und Expertise, auf Sonderwünsche Rücksicht nehmend. Hier werde dem Bild des Arztes, wie er im kritisierten Text dargestellt werde, ein idealtypisches Bild entgegengesetzt.