Presse als Werkzeug eines Verbrechers
Attentäter von Halle schildert seine schwere Straftat auf einem Video
Der Attentäter von Halle hat seine Tat auf einem Video dokumentiert. Eine Boulevardzeitung präsentiert online Ausschnitte. Gezeigt wird der Attentäter, wie er im Auto am Steuer in Selfie-Pose mit antisemitischen Parolen rechtfertigt, wie er seine Waffen präsentiert und selbstgebaute Sprengsätze zeigt. Die veröffentlichten Sequenzen zeigen außerdem, wie der Mann aus dem Auto steigt, einen Sprengsatz über die Mauer der Synagoge wirft und versucht, die Tür mit Schüssen zu öffnen. Zu hören - nicht zu sehen - ist, wie er eine Passantin erschießt. Am Schluss zeigt ein längerer Ausschnitt, wie der Täter sich bei seinen „Zuschauern“ dafür „entschuldigt“, dass er nicht mehr Menschen getötet hat. Er spricht von Mängeln an seinen selbstgebauten Waffen und beschimpft sich selbst. Immer wieder wird ein Reporter eingeblendet, der vor der Kamera die Ausschnitte ausführlich kommentiert und interpretiert. Zwei Leser der Zeitung kritisieren, dass die Redaktion dem Täter die Aufmerksamkeit schenke, die dieser mit seinem Video habe erzielen wollen. Sie halten die Ausschnitte für übertrieben sensationell und sehen Verstöße gegen Ziffer 11, Richtlinien 11.2 und 11.5, des Pressekodex. Darin geht es um Sensationsberichterstattung und Jugendschutz. Die Chefredaktion der Zeitung vertritt die Auffassung, dass es Aufgabe der Presse sei, zu „berichten, was ist“. Bei spektakulären Geschehnissen im öffentlichen Raum habe die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse daran, ja, sogar ein Recht darauf, von den Medien umfassend informiert zu werden. Den vom Täter gemachten Aufnahmen komme eine Belegfunktion für die redaktionelle Aufarbeitung, Kommentierung und Bewertung zu. Die Zeitung habe einen Beitrag geleistet, die Tat besser zu begreifen und setze dabei verschiedene Aspekte in einen Kontext.