Das Haus des „Rambo-Gewerkschafters“
Online-Artikel über GdL-Chef Weselsky zieht 34 Beschwerden nach sich
Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet unter der Überschrift „Weselskys Altbau-Fassade: So versteckt sich Deutschlands oberster Streikführer“ über den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und dessen Wohnsituation. Er lebe in einem Haus im Leipziger Stadtteil Neustadt- Neuschönefeld, „nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt.“ Weiter heißt es in dem Artikel: „In der Straße haben sich Rechtsanwälte und Psychologen niedergelassen – und mittendrin lebt Weselsky in einem schmucken Altbauhaus. Die Klingelschilder zeigen zehn Wohnparteien. ´Fam. Weselsky` steht auf dem untersten. Doch eigentlich müsste der Name ganz oben stehen, denn der Wohnbereich des 55-Jährigen unterscheidet sich grundlegend von anderen Wohnungen auf dem Grundstück, wie sich nach dem Eintreten in das Gebäude zeigt. Hinter dem Eingang mit den zwei großen Säulen, führen kurz darauf ein paar Treppenstufen hinab zu einer zweiten großen Tür. Der Briefkasten mit der Aufschrift ´Fa. Weselsky´ verrät die Identität des berühmten Bewohners. Hinter der Tür öffnet sich ein Innenhof mit einem kleinen, rotverklinkerten Häuschen. Der geheime Rückzugsort des GDL-Chefs. Er lebt abgeschieden.“ (Die Fehler wurden aus dem Original übernommen). Dem Artikel sind mehrere Fotos beigestellt. Eines zeigt die Fassade des Weselsky-Wohnhauses, ein anderes das mit „Fa. Weselsky“ beschriftete Klingelschild. 34 Leser der Zeitschrift wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Sie sehen gleich eine ganze Reihe von Ziffern des Pressekodex verletzt. Vor allem geht es um das Persönlichkeitsrecht des Gewerkschaftsvorsitzenden und den Schutz des privaten Wohnsitzes nach Richtlinie 8.8 des Pressekodex. Die Privatwohnung Weselskys habe mit dem Lokomotivführerstreik nichts zu tun. Unterschwellig ermuntere der Beitrag die Leser, Weselsky zu Hause aufzusuchen und ihm die Meinung zu sagen. Andere Beschwerdeführer kritisieren, dass Reporter den Wohnsitz des Gewerkschaftsführers aufgesucht und fotografiert hätten, sowie mit Nachbarn gesprochen hätten. . Damit hätten sie Stalking bzw. Nachstellung im Sinne von Paragraf 238 StGB betrieben. Die Bezeichnungen des Betroffenen als „aktuell der wohl meistgehasste Deutsche“ und „Rambo-Gewerkschafter“ seien ehrverletzend und kämen dem Aufruf zu einer Hetzjagd gleich. Der Chefredakteur des Magazins spricht vom seinerzeit alles beherrschenden Thema Bahnstreik. Da habe es nahegelegen, sich mit der Person des Gewerkschaftsbosses Weselsky zu befassen. Dabei habe man auch dessen Wohnumstände geschildert. Wer sich entscheide, im öffentlichen Leben eine wichtige Rolle zu spielen, könne nicht deren Geheimhaltung beanspruchen. Im Übrigen habe die Wohnung selbst im Bericht überhaupt keine Rolle gespielt. Der Text beschränke sich auf eine allgemeine Beschreibung des Gebäudes und eine ungefähre Angabe seiner Lage. Negative Folgen des Artikels seien nicht bekannt geworden. Weselsky selbst habe keinen Anlass gesehen, die Redaktion auch nur informell zur Entfernung des Wohnhaus-Bildes aufzufordern.