Überschrift durch Interview-Text nicht gedeckt
Redaktion hat bei Formulierungssuche einen falschen Weg gewählt
Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein Wortlaut-Interview (Überschrift: „Die Linke gibt uns zum Abschuss frei“) mit einem Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der Gesprächspartner wird so zitiert: „Warum fühlen sich heute mehr Täter ermutigt, etwas zu tun, als vor zwanzig Jahren? Weil die Polizei als schwach wahrgenommen wird – und Teile des politischen Spektrums in Bremen geben die Polizei auch zum Abschuss frei“. Auf die Frage „Wer genau macht das?“ kommt die Antwort: „Wenn Sie den Zwischenbericht der Linken zu ihrer Regierungstätigkeit lesen…“. Der Beschwerdeführer ist der zitierte Interviewpartner. Er stellt fest, der Autor des Beitrages gebe mit der Formulierung der Überschrift zu verstehen, es handele sich um ein Zitat aus dem mit ihm geführten Interview. Die Redaktion bekräftige dies durch Anführungszeichen. Im Kontext mit den Aussagen des Polizeigewerkschafters konnotiere der Begriff „Abschuss“ eine linke, gewaltbereite, ja militante „Linke“, was die Partei „Die Linke“ einschließe. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Formulierung als hetzerisch. Abgesehen davon sei aus journalistischer Sicht zu beanstanden, dass die in der Überschrift enthaltene Überspitzung durch den Interview-Text nicht gedeckt sei. Die Chefredakteurin der Zeitung stellt fest, grundsätzlich würden nur wortwörtliche Zitate in Anführungszeichen gesetzt. In diesem Fall hätte die Redaktion einen anderen Weg wählen sollen. Es habe dennoch keinesfalls in ihrer Absicht gelegen, Aussagen in unzulässiger Weise zu verkürzen oder das Gesagte durch eine Verkürzung in irgendeiner Weise zu interpretieren oder zu werten. Der Interviewer räumt in seiner gesonderten Stellungnahme ein, dass eine Überschrift ohne Anführungszeichen, etwa „Polizist übt scharfe Kritik an der Linken“ weniger angreifbar gewesen wäre. Eine Irreführung der Leserschaft könne er aber in der inkriminierten Fassung nicht erkennen. Ebenso weise er den Vorwurf zurück, dass er mit dieser Überschrift eine „plakative, diffamierende und hetzerische Botschaft“ an seine Leserinnen und Leser habe senden wollen.