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Vorverurteilung in den Überschriften

Persönlichkeitsrechte nach Ziffer 8 wurden jedoch nicht verletzt

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Post auf Facebook unter der Überschrift „Augsburg: Dieser Kerl hat den Feuerwehrmann Roland S. (49) totgeprügelt“. Zum Beitrag gestellt ist ein Portraitfoto des Mannes, dessen Augen durch einen schwarzen Balken verdeckt sind. Das gleiche Foto wird im Online-Artikel unter der Überschrift „Dieser Kerl hat den Feuerwehrmann totgeprügelt“ verwendet. Die Bildunterschrift lautet: „Der mutmaßliche Haupttäter Halid. S. (17) soll den tödlichen Schlag ausgeführt haben.“ Ein weiteres Foto, ebenfalls mit einem Augenbalken versehen, zeigt einen mutmaßlichen Mittäter. Bildunterschrift: Auch Alessio S. (17) sitzt in U-Haft.“ Im Artikel gibt es diese Passage: „Strickmütze, Oberlippenbart – so möchtegern-cool zeigt sich Halid S. (17) gern in den sozialen Medien.“ Laut Staatsanwaltschaft soll er den Feuerwehrmann mit nur einem Faustschlag gegen den Kopf getötet haben. So wie auf dem Foto – so die Zeitung – kennen ihn auch die Jugendlichen aus einem namentlich genannten Augsburger Problemviertel. Eine Leserin der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die Richtlinie 8.1 des Pressekodex (Vorverurteilung). Der Presserat erweitert die Beschwerde auf mögliche Verstöße nach Ziffer 13 des Kodex (Unschuldsvermutung). Der Chefredakteur sieht in der Berichterstattung keinen Grund für eine Beschwerde. Im Fall der Ziffer 8 verweist er auf die Chronistenpflicht der Presse. Das Informationsinteresse in diesem Fall überwiege die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Es gehe hier um ein Tatgeschehen, bei dem die Staatsanwaltschaft sicher sei, dass der Verdächtige Halid S. den Feuerwehrmann mit einem Faustschlag gegen den Kopf getötet habe. Um die Erkennbarkeit der Tatverdächtigen auszuschließen, habe die Redaktion weder den Familiennamen der Tatverdächtigen mitgeteilt noch anderweitig identifizierend über sie berichtet. Bei beiden verhindere ein Augenbalken auf dem jeweiligen Foto die Identifizierbarkeit. Auch eine Vorverurteilung nach Ziffer 13, Richtlinie 13.1, liege nicht vor. Gleich im ersten Absatz des Beitrages werde der Leser darüber informiert, dass die gegen die Verdächtigen erhobenen Vorwürfe zum Zeitpunkt der Berichterstattung alles andere als gerichtlich erwiesen seien.