Zeitung lässt gebotene Empathie vermissen
Über Vergewaltigungsprozess mit in allen Details berichtet
Eine Regionalzeitung berichtet online über einen Vergewaltigungsprozess. Sie beruft sich dabei um Auskünfte einer Freundin des Vergewaltigungsopfers. Ergebnis der Zeugenaussage: Eine bis ins intimste Detail gehende, ausführliche Schilderung der Vergewaltigung. Dies geht nach Ansicht von drei Lesern der Zeitung viel zu weit. Es sprenge die Grenzen der notwendigen Sachlichkeit bei weitem. Hauptvorwurf der Beschwerdeführer: Die Veröffentlichung der Details des Verbrechens zeuge von grober Ignoranz gegenüber der betroffenen Frau. Sie bezweifeln, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Betroffenen sorgsam abgewogen worden sei. Für den Umgang mit sexuellen Übergriffen und die Berichterstattung darüber bedürfe es eines Mindestmaßes an Empathie. Die Chefredakteurin der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe die kritisierte Berichterstattung intern auf ihre presseethische Zulässigkeit diskutiert. Sie sieht in den kritisierten Passagen keine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt. Hier werde nicht die Vergewaltigung selbst dargestellt, sondern das, was sich im Kopf der zitierten Zeugin „eingebrannt“ habe. Diese Darstellung sei auch durch die Rechtsanwältin des Opfers der Gewalttat nicht als unangemessen sensationell eingestuft worden. Die Chefredakteurin weiter: Unabhängig von der Bewertung nach dem Maßstab des Pressekodex bleibe festzuhalten, dass die Beschwerdeführer an der Schilderung Anstoß genommen hätten. Die Redaktion bedauere dies. Die Berichterstattung über die Opfer von sexueller Gewalt solle nicht selbst zum Gegenstand der Empörung werden, sondern die Gewalttat selbst. Auch wenn die Redaktion die Berichterstattung unter pressethischen Gesichtspunkten für zulässig halte, habe sie den Beitrag gekürzt und die Änderung auch transparent gemacht.