Schutzwürdige Interessen nicht verletzt
Kommentator äußert seine pointierte Meinung zur Impfpflicht
Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht eine Kolumne unter der Überschrift „Corona-Bekämpfung – Impfpflicht! Was denn sonst!“ Der Autor kritisiert, dass der Staat und Politiker*innen die Menschen im Land „ausgerechnet bei der Corona-Rettung (…) nicht zu richtigem Verhalten“ anhalten wolle. „Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ – so der Autor. Die Impfpflicht sei eine moralische mit Blick auf die Gesundheit, aber auch eine ökonomische Pflicht angesichts von Arbeitslosigkeit, Verschuldung und der Gefährdung zahlloser Existenzen infolge von Lockdowns. Der Autor bringt insoweit den Markt ins Spiel. Jede Privatperson könne Ungeimpften den Zugang zu seiner Wohnung verwehren, ebenso Kneipenbesitzer, Kinobetreiber oder Kreuzfahrtanbieter dürften einen Impf- oder Immunitätsnachweis verlangen. Dies treibe den Preis fürs Nichtimpfen nach oben – glaubt der Autor. Der Presserat erhält 17 Beschwerden, in denen Verstöße gegen eine Reihe von presseethischen Grundsätzen beanstandet werden. Im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 10 (Religion, Weltanschauung, Sitte) wird vor allem die bereits oben erwähnte Aussage des Autors kritisiert. Die Aussage stelle eine Volksverhetzung dar bzw. sei eine menschenverachtende und diskriminierende Aussage. Hier werde gegen Andersdenkende gehetzt und es werde dazu aufgerufen, diese zu diffamieren, stigmatisieren, auszugrenzen und zu benachteiligen. Die Rechtsvertretung des Magazins nimmt in dem vom Presserat auf die Ziffern 1 und 10 des Pressekodex beschränkten Rahmen Stellung. Sie weist darauf hin, dass – bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht -Impfpflichten mit der Verfassung und dem Menschenwürdegrundsatz vereinbar sind. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne nichts anderes entnommen werden. Von daher könne auch die politische Forderung nach einer Impfpflicht keinen Menschenwürdeverstoß darstellen. Beim besonders kritisierten Abschnitt der Kolumne stellt das Justiziariat fest, dass dieser für den durchschnittlich verständigen Leser kein Aufruf dazu sei, Individuen anzuprangern und auszugrenzen. Der Kolumnist stelle mit seinen pointierten Worten klar, dass die Politik aus seiner Sicht erstaunlich feige sei. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde sei hier nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich bei der Kolumne schlicht um eine andere Auffassung.