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Foto falsch interpretiert

In Demonstrationsfoto Bolzenschneider und Schlagstock entdeckt

Eine Boulevardzeitung fragt in ihrer Schlagzeile: „Was machte Minister Trittin auf dieser Gewalt-Demo?“ In dem Artikel ist in unklaren Konturen das Foto einer Demonstration aus dem Jahre 1994 enthalten, in dessen Vordergrund Jürgen Trittin zu sehen ist. Im Hintergrund des Fotos, als dessen Quelle SAT 1 benannt wird, sind vermummte Personen abgebildet. In das Bild eingeblendet sind Pfeile mit der Aufschrift „Bolzenschneider“ und „Schlagstock“. In der Unterzeile des Bildes wird berichtet: „16. Juli 1994 in Göttingen: 3500 Menschen, darunter vermummte ‚Autonome‘, demonstrierten mit Schlagstock und Bolzenschneider gegen die Ermittlungen der Justiz in der linken Szene. Auf diesem Foto ist der lächelnde Jürgen Trittin zu sehen – damals grüner Landtagsabgeordneter.“ Der Bundesumweltminister legt den Beitrag dem Deutschen Presserat vor. Er beanstandet, dass in dem Beitrag nicht darauf hingewiesen wird, dass er deutlich außerhalb des durch ein Seil abgetrennten autonomen Blocks stehe, sondern im Gegenteil gerade der Eindruck erweckt werde, dass er dort quasi dazu gehöre. Das Seil werde nicht als solches interpretiert, sondern mit dem Hinweis „Schlagstock“ versehen, um die angebliche Gewalttätigkeit der Szene noch mehr zu betonen. Zudem behaupte die Zeitung, dass ein Demonstrant, der sich deutlich erkennbar an einer Autoreling festhalte, einen „Bolzenschneider“ in der Hand halte. Der Chefredakteur der Zeitung habe erklärt, das Foto sei aus dem Vorabexemplar eines Magazins abgescannt worden. Gegenüber der Vorlage seien die Ränder des Fotos für die Veröffentlichung in der Zeitung so beschnitten worden, dass der unbefangene Betrachter die genannten Gegenstände in der Tat für das halte, was die Redaktion durch ihre falsche Beschriftung behaupte. Der Chefredakteur des Blattes räumt die falsche Kennzeichnung der Gegenstände ein. Die Zeitung habe sich in der folgenden Ausgabe ebenso entschuldigt wie der Chefredakteur persönlich bei dem Minister. Der Beschwerdeführer habe die Entschuldigung angenommen. Laufende rechtliche Auseinandersetzungen seien daraufhin beendet worden. Das Foto selbst sei inhaltlich richtig und zeige den Beschwerdeführer auf einer Demonstration, bei der es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sei, mit vermummten Chaoten. Für den Fehler bei der Einordnung der beiden Gegenstände auf dem Foto, die unzweifelhaft falsch gekennzeichnet worden seien, habe er sich persönlich entschuldigt. Den handwerklichen Fehler habe er auch in einem Interview mit dem SPIEGEL („Ich bin verantwortlich“) eingeräumt. Dem Minister sei also in vollem Umfang Genugtuung widerfahren. Für weitere Maßnahmen sieht der Chefredakteur keinen Anlass.(2001)