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Verdachtsberichterstattung

Im Rahmen ihrer Sendung „Wetten, daß ...? ruft eine Fernsehanstalt zu Spenden für eine russische Wohltätigkeitsorganisation auf. Die Spenden sollen jedoch nicht direkt an die Russen, sondern an einen Hilfsverein in der Bundesrepublik überwiesen werden, der – wie eine Sonntagszeitung eine Woche später berichtet – äußerst umstritten sei, vor dem die UNESCO sogar warne. Unter der Überschrift „Skandal um Spendenmillionen“ teilt die Zeitung mit, dass der Vorstand des Vereins seit Jahren kritisiert werde und mit seiner Organisation auf der „schwarzen Liste“ des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen stehe, das die Seriosität von Wohltätigkeitsverbänden überprüfe. Auch sei die Organisation, der die Spende in Höhe von fast fünf Millionen Mark zugedacht sei, in Russland bislang kaum in Erscheinung getreten. Die Fernsehanstalt leitet rechtliche Schritte ein und beschwert sich auch beim Deutschen Presserat. Der Artikel enthalte eine Vielzahl falscher Angaben. Es gebe weder eine Warnung seitens der UNESCO noch eine „schwarze Liste“ des genannten Zentralinstituts. Auch sei der Korrespondent der Zeitung in Moskau über die Aktivitäten der russischen Organisation ausführlich informiert worden. Die Veranstalter der Sendung sind der Ansicht, dass der Autor des Beitrags mit einer offensichtlich vorgefassten Tendenz die Thematik seines Textes angegangen ist. Schon die Recherchemethode sei so angelegt, dass in der Kürze der Zeit, in der die Betroffenen Gelegenheit hatten, zu dem Vorgang Stellung zu nehmen, eine sachgerechte und fundierte Auskunft über die Vorgänge nicht möglich sein konnte. Selbst Informationen, die hätten geliefert werden können, seien in den Bericht nicht eingeflossen. Die Rechtsabteilung des Verlags weist den Vorwurf zurück, die Recherchemethoden der Zeitung hätten reine Alibifunktion. Sämtliche vor dem zuständigen Landgericht initiierten Gegendarstellungs- und Unterlassungsverfahren seien inzwischen zu Lasten der Kläger ausgegangen. Das Gericht habe die Behauptung der Zeitung, der in den Spendenaufruf genannte Verein sei eine umstrittene Organisation, als eine zulässige Meinungsäußerung bewertet. Gleiches gelte für die Äußerung, die UNESCO habe es abgelehnt, den Verein als offiziellen Partner anzusehen. Des weiteren habe das Gericht auch die Behauptung der Redaktion, der Hilfsfonds stehe auf der „schwarzen Liste“ des Zentralinstituts für soziale Fragen, für zutreffend erklärt. (1996)