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Weitergabe eines Beschwerdebriefes

Auseinandersetzungen um den Wadenbiss eines Dackels

Eine Boulevardzeitung zeigt auf ihrer Titelseite das Foto eines Dackelmischlings mit dessen „Frauchen“ und fragt in der Schlagzeile „Hat dieser Dackel einen Scherenschleifer gezwickt?“ Im Text wird die Auseinandersetzung darüber geschildert, ob „Rübe“ einen 64-jährigen Scherenschleifer in die Wade gebissen hat. Am folgenden Tag werde diese knifflige Frage vor dem Amtsgericht verhandelt. Ein Anwohner der Straße, in der die Hundehalterin wohnt, beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Darstellung in dem Artikel sei nicht korrekt. Es werde völlig außer acht gelassen, dass der Hund schon mehrfach gebissen habe. Die Anwohner der Straße litten schon seit vielen Jahren unter der Frau und deren Hund. Die Redaktion habe einseitig den Aussagen der Hundehalterin vertraut. Ihm tue auch der angegriffene Scherenschleifer leid, der ein sehr korrekter Mensch sei und der auf keinen Fall mit dem in unserer Sprache und auch im Boulevardstil abschätzenden Wort belegt werden könne. In einem ergänzenden Schreiben teilt der Beschwerdeführer mit, dass sein Brief an den Chefredakteur der Zeitung ohne seine Kenntnis an den Anwalt der Hundehalterin weitergegeben worden sei. Dieser habe nun beim Amtsgericht den Erlass einer Einstweiligen Verfügung aus dem Inhalt dieses Briefes abgeleitet. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt dem Presserat mit, dass die Zeitung zwei Tage später über die Verurteilung der Hundehalterin berichtet habe. Das Gericht habe jedoch festgestellt, dass der Schuldumfang der Hundehalterin doch geringer gewesen sei als ursprünglich angenommen. Es habe auch bewiesen werden können, dass der Scherenschleifer den Hund beschimpft habe. Die Weitergabe des Briefes sei bei der Chefredaktion des Blattes ein ganz normaler Vorgang. (2001)