Bonusmeilenaffäre
Presserat bescheinigt Boulevardzeitung sorgfältige Nachrecherche
Eine Boulevardzeitung berichtet in mehreren Folgen über die private Nutzung von dienstlich erflogenen Bonusmeilen der Lufthansa durch Politiker. In einem Kommentar unter der Überschrift „Wir alle wurden geschädigt“ teilt der Autor mit, dass die Zeitung etliche Namen von Gratisfliegern aus dem Bundestag kenne. In den Beiträgen werden nach und nach verschiedene Namen genannt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat kritisiert ein Leser die Artikelfolge, in der scheibchenweise Namen genannt würden. Dadurch entstehe der Eindruck einer einseitigen Wahlkampfunterstützung. Wenn Informationen über diesen Vorgang vorhanden seien, sollten diese Daten sofort und komplett veröffentlicht werden. Die Chefredaktion des Blattes weist den Vorwurf zurück, sie habe selektiv berichtet und eine Kampagne gegen bestimmte Parteien betrieben. Den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Wahlkampf habe sich die Zeitung nicht ausgesucht. Als ihr konkrete Informationen über den Missbrauch von dienstlich erflogenen Bonusmeilen durch Abgeordnete bekannt geworden seien, habe sie Politiker aller Bundesparteien um eine Stellungnahme gebeten. Die Abgeordneten hätten unterschiedlich schnell reagiert. Dabei hätten in sehr vielen Fällen die Vorwürfe vollständig ausgeräumt werden können. Es stehe außer Frage, dass über den Missbrauch von Bonusmeilen hätte berichtet werden müssen. Auch in Wahlkampfzeiten habe die Bevölkerung einen eindeutigen Informationsanspruch. Man habe keineswegs „häppchenweise“ berichtet. Sobald man erste konkrete Informationen über bestimmte Politiker gehabt habe, seien die Betroffenen mit den Vorwürfen konfrontiert worden. Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir sei ohne Beantwortung der Fragen zurückgetreten. Auch der Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) habe die Fragen nicht beantwortet. Stattdessen habe er in einer Presseerklärung die Vorwürfe bestätigt. In anderen Fällen seien die notwendigen Recherchen durch die Angeschriebenen verschleppt oder durch Erklärungen, die weitere Nachfragen erforderten, in die Länge gezogen worden. Zum Teil seien Politiker von selbst an die Öffentlichkeit gegangen, ohne dass sie bereits mit Vorwürfen oder Nachfragen der Zeitung konfrontiert worden seien. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei also nicht von der Zeitung festgelegt worden, sondern sei eindeutig von den notwendigen Recherchen sowie dem eigenen Umgang der Politiker mit eventuellen Vorwürfen abhängig gewesen. Unberechtigt sei auch der Vorwurf der Begrenzung der Berichterstattung auf Rot-Grün. Die Zeitung habe Politiker aller Parteien mit den konkreten Fragen konfrontiert. In Kenntnis der Berichterstattung hätten auch CDU-Bundestagsabgeordnete öffentlich ihr Fehlverhalten selbst eingeräumt. Schließlich habe man auch über eine CSU-Bundestagsabgeordnete berichtet, die unter Verwendung von Bonusmeilen ihren Sohn bis nach Australien habe fliegen lassen und mit ihrem Ehemann hinterher geflogen sei. (2002)