Leserbrief
Unbewiesene Vorwürfe in einem Leserbrief bedürfen der Nachrecherche
Ein Leser schreibt einen Brief an seine Zeitung. Darin beklagt er sich über spekulative Bauvorhaben in der Stadt und nennt dabei eine Firma, die einen Briefkasten in Liechtenstein und einen Strohmann in Köln sitzen haben soll. Als stille Teilhaberin dieses zwielichtigen Unternehmens benennt der Leserbriefschreiber u.a. eine Frau, die mit Hilfe ihres gleichfalls genannten Ehegatten dafür sorge, dass die erforderlichen Bebauungspläne möglichst bald rechtskräftig werden. Wenige Tage später erscheint im Blatt ein zweiter Leserbrief desselben Autors, in dem dieser darauf hinweist, dass im Originaltext des erstveröffentlichten Briefes Namen nicht genannt worden seien. Eine schriftliche Einwilligung zur Änderung seines Briefes liege der Zeitung nicht vor. Dem Brief folgt eine Anmerkung der Redaktion, in der es heißt, dass die Redaktion den Briefschreiber gebeten habe, doch Ross und Reiter zu nennen, und dieser daraufhin Namen genannt habe. Die Redaktion habe ihn gefragt, ob sie seinen Leserbrief um die Namen ergänzen dürfe, woraufhin er geantwortet habe, dass er damit keine Probleme habe. Der in dem Leserbrief erwähnte Rechtsanwalt kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung seines Namens und des Namens seiner Ehefrau. Der Redakteur habe sich nicht die geringste Mühe gemacht, nachzuforschen, ob die Behauptungen des Leserbriefschreibers zutreffend seien oder nicht. In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass seine Ehefrau nie Teilhaberin oder Gesellschafterin der genannten Firma gewesen sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, man habe den Schreiber des Leserbriefes darauf hingewiesen, sein Text könne nicht veröffentlicht werden, wenn er darin nicht auch Ross und Reiter nenne. Der Autor habe daraufhin die erbetenen Namen genannt und sich mit deren Veröffentlichung einverstanden erklärt. Inzwischen habe die Zeitung eine Gegendarstellung des Betroffenen veröffentlicht und eine Unterlassungserklärung abgegeben. Auch den zweiten Text des Leserbriefschreibers habe man abgedruckt. Die Redaktion vermute, dass er unter massivem Druck gehandelt habe. (1998)