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Diskriminierung von Asylbewerbern

95% sollen bewusst ihre Ausweispapiere vernichtet haben

Unter der Überschrift „Glauben an Gerechtigkeit verloren“ erscheint in einer Regionalzeitung ein Leserbrief. Darin fordert der Autor, die Politik müsse den Asylmissbrauch stärker bekämpfen. Wörtlich schreibt er: „Wenn 95 Prozent der ,Asylbewerber‘ bewusst ihre Identitätsdokumente vor der Einreise in die Bundesrepublik vernichten, wenn also massenhaft versucht wird, unser viel zu liberales Asylrecht zu missbrauchen, setzt zwangsläufig eine starke Ablehnung gegen die Politiker ein, die diese Missstände nicht abzustellen versuchen.“ Weiterhin behauptet der Leserbriefschreiber, heute könnten auf nahezu jedem Bahnhofsvorplatz einer deutschen Großstadt illegale oder abgelehnte „Asylbewerber“ ihre kriminellen Drogengeschäfte abwickeln, doch die Polizei habe keinerlei Handhabe, einzuschreiten. Ein Leser des Blattes legt die Veröffentlichung dem Deutschen Presserat vor. Flüchtlinge, deren Asylantrag von deutschen Behörden abgelehnt worden sei, würden darin pauschal als kriminell hingestellt. Der Autor des Leserbriefes bleibe den Beweis dafür schuldig, dass 95% der Asylbewerber ihre Identitätsdokumente vor der Einreise nach Deutschland vernichten. Außerdem sei die Behauptung, dass illegale oder abgelehnte Asylbewerber ihre kriminellen Drogengeschäfte abwickeln, eine unzulässige Verallgemeinerung. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf amtliche Verbrechensstatistiken, aus denen man schließen könne, dass illegale oder bereits rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber auf praktisch jedem Bahnhofsvorplatz ihre kriminellen Geschäfte abwickeln könnten. Der Hinweis auf 95% der Asylbewerber, die ihre Identitätsdokumente vor der Einreise vernichten, basiere auf einer vorhergehenden Veröffentlichung der Zeitung. Darin sei unter Verweis auf entsprechende amtliche Erhebungen berichtet worden, illegal in die Bundesrepublik eingereiste Ausländer kämen offensichtlich in betrügerischer Absicht ins Land, da bis zu 95% keinerlei Ausweispapiere bei sich tragen würden. (2000)