Diskriminierung von Obdachlosen
Unter der Überschrift »Dat Unwesen« kommentiert eine Lokalzeitung die Gelage von Nichtsesshaften, Alkoholsüchtigen und Drogenabhängigen auf dem Marktplatz und am Stadttor der Stadt. Vielen Bürgern sei dieser Personenkreis ein Dorn im Auge. Wörtlich heißt es: "Selbst wenn keine reale Gefahr von ihnen ausgeht, so stellen sie doch eine latente Bedrohung dar«. Und weiter: »Fakt ist, dass Nichtsesshafte; Alkis und Junkies im Straßenbild stören«. Fast täglich könne man Mitglieder der Alkoholszene beobachten, die ungeniert in den Blumenrabatten Wasser lassen. Schließlich fordert der Autor ein verstärktes Eingreifen der Stadt. Diese habe es in der Hand; ein Platzverbot auszusprechen und den Betroffenen möglicherweise andere Versammlungsflächen zuzuweisen. Zum Schluss schreibt die Zeitung: »Dieser Kommentar soll kein Ruf nach dem starken Mann oder nach dem harten Besen sein. Gesetze sind aber dazu da, dass sie auch gezielt angewendet werden. Mitleid und tätige Hilfe für alle diese Personengruppen sind daneben jederzeit angebracht und gefordert. Dafür muss sich das Problem aber nicht täglich zum Nachteil der Öffentlichkeit abspielen«. Eine Leserin des Blattes sieht Ziffer 9 des Pressekodex verletzt und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion ist sich bewusst, dass sie ein heißes Eisen angepackt hat. Man habe sämtliche Leserbriefe zu diesem Kommentar abgedruckt. Insofern könne von unbegründeten Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, wie es in Ziffer 9 heiße, in keinem Fall die Rede sein. (1993)