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Roma-Frauen als Wahrsagerinnen

Benennung der ethnischen Zugehörigkeit dient dem besseren Verständnis des Vorganges

Eine Tageszeitung berichtet über die polizeilichen Ermittlungen gegen zwei Frauen, die mit Zauber, Fluch und Wahrsagerei u.a. eine 55-jährige Sekretärin willenlos gemacht und um 70.000 Mark erleichtert haben sollen. “In der Gewalt von Roma-Frauen” lautet die Schlagzeile. Im Text werden die mutmaßlichen Täterinnen mehrfach als Roma-Frauen gekennzeichnet. Ein Boulevardblatt schildert drei Monate später den selben Fall und berichtet über den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Eine der Frauen bekommt ein Jahr Haft auf Bewährung. Die zweite wird freigesprochen, weil sie, platziert unter anderen weiblichen Angehörigen ihrer Volksgruppe, von den Opfern nicht eindeutig identifiziert werden konnte. Auch in diesem Text ist mehrfach von Roma-Frauen die Rede. Eine der Angeklagten wird mit dem Satz zitiert: “Ich bin Zigeunerin, schon meine Oma kannte sich mit so was aus...”. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht die Gruppe der Roma durch diese Berichterstattung diskriminiert und fordert den Deutschen Presserat auf, diese verwerfliche journalistische Praxis zu rügen. Die Redaktion der Tageszeitung erklärt, die Identifizierung der Beschuldigten als “Roma” sei aus mehreren Gründen unvermeidlich gewesen. Diese Art von Kriminalität sei spezifisch für diese ethnische Gruppe. Ferner gebe es noch bisher unbekannte Opfer der “Wahrsagerin”, nach denen die Polizei suche. Zur Wiedererkennung sei es demnach notwendig gewesen, so viele Merkmale wie möglich über die Beschuldigten zu veröffentlichen. Auch das Boulevardblatt hält die Beschwerde für unbegründet. Eine der Angeklagten habe sich selbst vor Gericht als “Zigeunerin” bezeichnet. Im übrigen habe man die Zugehörigkeit der Frauen zur Roma-Gruppe erwähnen müssen, “um diesen Spuk einer Heilung darzustellen”. (1997)