Richtigstellung
Irritationen um die neue Bundeszentrale der Republikaner
Unter der Überschrift “Protest gegen Republikaner” meldet eine Regionalzeitung, dass in Berlin 300 Menschen gegen den Einzug der rechtsextremen Republikaner in die frühere Villa eines jüdischen Fabrikanten demonstriert haben. Die Partei wolle in dem Haus ihre Bundeszentrale einrichten. Die Meldung ist mit dem Kürzel einer Nachrichtenagentur versehen. Ein Leser des Blattes übersendet der Zeitung einen Tag später die Meldung einer anderen Agentur, in der die Bundesgeschäftsstelle der Republikaner dahingehend zitiert wird, dass das Haus nie in jüdischem Besitz war. Gleichzeitig fragt er die Redaktion, wann sie die in der Kurzmeldung getroffene Aussage richtig stellt. Vier Tage später teilt ihm die Chefredaktion mit, dass sie von einer Richtigstellung absehe, da der Zeitabstand erheblich sei und viel zu umfangreich berichtet werden müsste, um dem Leser die Ursache der Falschmeldung klarzumachen. Der Leser wendet sich daraufhin an den Deutschen Presserat. Er sieht Ziffer 3 des Pressekodex verletzt, weil die Zeitung die Meldung nicht sofort richtiggestellt hat. Im Laufe des Verfahrens teilt der Beschwerdeführer dem Presserat das Ergebnis eigener Recherchen mit. Die genannte Villa befinde sich in einem desolaten Zustand und werde zur Zeit saniert. Nach Mitteilung des neuen Eigentümers werde der Sanierungsvorgang nicht vor Mitte 1999 abgeschlossen sein. Die Republikaner sollen inzwischen in das Gartenhaus eingezogen sein. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, die Klärung des Sachverhalts durch die Agentur habe die Politikredaktion erst am Sonntag erreicht. Eine entsprechende Richtigstellung frühestens fünf Tage nach der Veröffentlichung der Acht-Zeilen-Meldung sei der Zeitung jedoch aufgrund des wenig bedeutsamen Vorfalls zu spät gewesen. Deshalb habe man darauf verzichtet. Unter Hinweis auf Veröffentlichungen in anderen Blättern führt die Chefredaktion weiter aus, dass die Agenturmeldung, auf die sich der Beschwerdeführer beziehe, journalistisch nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Der Presserat bittet den zuständigen Baustadtrat um Erklärung des Sachverhalts. Dieser verweist auf eine Pressemitteilung, die er zwei Tage nach Erscheinen der kritisierten Kurzmeldung herausgegeben hat. Darin heißt es, dass das Grundstück Berliner Straße 126/127 sich von 1876 bis 1940 in jüdischem Eigentum befunden habe. Auf diesem Grundstück stehen besagte Villa und das Gartenhaus, in welches die Republikaner einziehen wollen. Das Grundstück Berliner Straße 128, das nicht zu jüdischem Eigentum zählte, wurde 1976 mit dem Grundstück Berliner Straße 126/127 verschmolzen. Auf diesem Grundstück befindet sich ein Anbau, der mit dem Gartenhaus eine räumliche und funktionelle Einheit bildet. Die Agentur, welche die erste Meldung verbreitet hat, teilt auf Nachfrage mit, sie habe einen Tag später erneut eine Meldung zu dem Thema veröffentlicht. Darin heißt es, dass der Vermieter des Gebäudes, in das die Republikaner einziehen wollen, erklärt habe, das von ihm sanierte Gebäude sei nie in jüdischem Besitz gewesen. Es sei damit auch nicht von den Nationalsozialisten enteignet worden. Die Sicht des Vermieters hätte man selbstverständlich in die erste Meldung eingearbeitet, wenn er am Tage der Demonstration erreichbar gewesen wäre. So sei die Klarstellung erst zwei Tage später erfolgt. (1998)