Religiöses Empfinden
Szene des Abendmahls mit halbnackten weiblichen Models
Eine Zeitschrift veröffentlicht unter der Überschrift „Silvester-Party: Alles aus dem Internet“ eine mit halbnackten weiblichen Models nachgestellte Szene des letzten Abendmahls Christi. Dem Foto beigestellt sind Hinweise auf verschiedene Homepages, auf denen Dienstleistungen und Produkte angeboten werden. Zu den Tipps im Web zählen Kleider und Accessoires, Spirituosen, MP3-Songs, Geheimrezepte von Meisterköchen, Babysitter-Vermittlung, Überraschungsgäste und Anti-Kater-Mittel. Ein Leser sieht durch die „blasphemische und pornografische“ Darstellung der Abendmahl-Szene seinen Glauben verhöhnt und sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt. Er legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Meinung, dass die Darstellung als eine von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckte Interpretation eines religiösen Themas einzustufen sei. Unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Freiheit des Fotografen und der Meinungsfreiheit der Presse sei sie nicht zu beanstanden. Eine blasphemische Darstellung müsste absichtlich darauf abzielen, die religiösen Gefühle der Leser und Betrachter zu verletzen. Ein derart niederer Beweggrund auf Seiten des Künstlers bzw. auf Seiten der Redaktion liege jedoch nicht vor. Auf keinen Fall sei die Darstellung pornografisch, da sie als solche erst dann einzustufen sei, wenn sie erkennbar reißerisch und aufstachelnd sexuelle Handlungen zum Inhalt habe. (2002)