Modefotos
Mit dem Mittel „nachgestellter“ Gewalt wird neue Mode präsentiert
Ein Stadtmagazin stellt in großformatigen Fotos unter dem Motto „Halloween – Die Nacht des Grauens“ neue Mode vor. Aufgeschlitzte, erschlagene oder blutüberströmte Mädchen präsentieren in leblosen Posen Kleidung, Wäsche, Schmuck oder Kontaktlinsen. In den Unterzeilen wird auf die Hersteller der Ausstattung hingewiesen. Die Modefotos seien an Grausamkeit kaum zu überbieten, findet eine Leserin. Sie seien brutal und zynisch. Gewalt werde verharmlost. Das Spiel mit dem Horror, die Lust am Entsetzen, die diese Fotos widerspiegeln, ließen sich nicht durch ästhetische Gesichtspunkte bzw. das Thema „Halloween“ verharmlosen oder gar rechtfertigen. Diese Art der Bagatellisierung von Schwerverbrechen an unschuldigen Opfern als „modischer Kick“ verhöhne grausam ermordete Mädchen und deren Familien. Die Leserin erinnert an spektakuläre Kriminalfälle und ruft den Deutschen Presserat an. Die Redaktion erklärt, Intention des Fotografen sei es gewesen, den auf keltische Rituale zurückgehenden Halloween-Kult künstlerisch-anspruchsvoll und ästhetisch-ungewohnt umzusetzen. Als Aufmachermotiv habe er dazu einen ausgehöhlten Kürbiskopf gewählt, der – ergänzt durch Dialogauszüge aus dem Horror-Klassiker „Halloween – Die Nacht des Grauens“ – eindeutig auf das Thema „Halloween“ hinweise. Ein Bezug zu spektakulären Kriminalfällen der jüngsten Zeit sei daher auf keinen Fall gegeben. Bedingt durch die surreale Art der Fotografie werde deutlich, dass die Fotostrecke nicht die Realität abbilden oder gar zur Nachahmung animieren möchte, sondern dass es sich zweifelsfrei um eine künstlerische Interpretation eines jahrhundertealten Brauches handele, der in den USA mittlerweile Volksfestcharakter genieße. (1999)