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Meinungsäußerung

Zeitung muss Auftritt eines Politikers auch scharf kommentieren dürfen

Die Lokalausgabe einer Regionalzeitung teilt ihren Lesern mit, dass die Versammlung der Stadtverordneten beschlossen hat, ihre amtlichen Bekanntmachungen in diesem Blatt und nicht mehr in der Konkurrenzzeitung zu veröffentlichen. In einem dem Artikel beigestellten Kommentar wird die Reaktion des örtlichen SPD-Chefs auf diese Entscheidung dargestellt und von einer „gelungenen schlechten Figur“, von einer hinreißend besetzten Lachnummer gesprochen. Der Kommunalpolitiker hatte angeblich von einer „Vitaminspritze“ für die Regionalzeitung gesprochen. Damit habe er – so der Kommentar – erfolgreich den Gipfel der Lächerlichkeit erklommen und die ausgewachsene Ahnungslosigkeit eines Mannes gezeigt, dem man mit Fug und Recht anderes zugetraut hätte. Der Bürgermeister einer Nachbargemeinde legt den Beitrag dem Deutschen Presserat mit der Bitte um Prüfung vor. Er ist der Ansicht, dass hier Tatsachen und Meinungen durcheinander gebracht werden. Zudem würden durch den Kommentar einzelne Personen diskriminiert. Die Rechtsabteilung des Verlages stellt fest, bei dem beanstandeten Bericht handele es sich um eine zulässige kommentierende Berichterstattung. Der Kommentar setze sich mit dem aus Sicht des zuständigen Redakteurs misslungenen Auftritt eines Redners in einer öffentlichen Sitzung des Stadtparlaments auseinander. Er sei zwar kritisch und scharf, eine Verletzung des Pressekodex sei jedoch nicht erkennbar. (1999)