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Gerichtsberichterstattung

Angeklagter Anwalt kritisiert Berichterstattung über seinen Fall

Ein Rechtsanwalt steht vor Gericht. Er soll ein Treueverhältnis zur Unterschlagung von rund 7.000 D-Mark missbraucht haben, indem er diese Geldsumme aus einer Versicherungszahlung von rund 22.000 Mark an einen Mandanten zur Deckung seiner Anwaltsgebühren zurückbehielt. Die Zeitung am Ort berichtet über die Verhandlung im Amtsgericht. Sie zitiert den Angeklagten, der sein Vorgehen mit einem erhöhten Prozesskostenrisiko begründet habe. Sie zitiert den Richter, der dieses Vorgehen als “unüblich” bezeichnet habe. Sie wählt als Schlagzeile des Gerichtsberichts die Formulierung “Vorgehen als ‚unüblich‘ bezeichnet”. Der betroffene Anwalt wendet sich an den Deutschen Presserat. Er sieht sein Persönlichkeitsrecht verletzt, da er durch die Berichterstattung identifizierbar werde. Zudem glaubt er, in den Formulierungen der Zeitung eine Vorverurteilung zu erkennen. Der Richter habe sein Vorgehen auch nicht als “unüblich” bezeichnet. Der Redakteur behaupte, ihm sei der Vorwurf der Veruntreuung von Mandantengeldern gerade wegen einer zugesagten Kostenerstattung der Rechtsschutzversicherung gemacht worden. Diese Behauptung sei jedoch unrichtig, da die Anklage über Rechtsschutzversicherungen und Kostendeckungszusagen kein Wort verliere. Die Chefredaktion wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe das Persönlichkeitsrecht des Anwalts verletzt. Sein Name werde in dem Artikel nicht genannt. Dass es sich bei dem Angeklagten um einen Rechtsanwalt handelt, habe man jedoch erwähnen müssen, da die Anklage in direktem Zusammenhang mit dem Beruf des Beschwerdeführers stehe. Die Verwendung des Wortes “unüblich” sei aus journalistischer Sicht korrekt. In dem Artikel werde deutlich formuliert, dass noch einige Fragen offen sind und es daher noch zu keinem Urteil kommen konnte. (1999)