Fotodokument der Zeitgeschichte
Presserat toleriert das Bild des verkohlten Opfers einer Zugkatastrophe
Unter der Überschrift „Hier lässt Commander Robot eine Geisel enthaupten“ schildert eine Boulevardzeitung die Hinrichtung eines philippinischen Soldaten auf der Geisel-Insel Jolo durch Abu-Sayyaf-Kämpfer. Dem Beitrag beigestellt sind zwei Fotos. Das eine zeigt den Soldaten vor der Hinrichtung. Das zweite entstand, als einer der Terroristen mit seiner Machete dem Gefangenen den Kopf abschlug. Einen Tag später berichtet das Blatt in Wort und Bild über den Brand im Nachtzug von Kairo nach Luxor, dem mindestens 400 Menschen zum Opfer gefallen sind.. Eines der Fotos zeigt eine vollständig verkohlte Leiche, die zwischen den Fenstergittern des ausgebrannten Zuges steckt. Ein Leser der Zeitung sieht in Veröffentlichungen dieser Art „sensationsgeilen Journalismus“ und bittet den Deutschen Presserat um Unterstützung dieser Ansicht. Auch im Sinne des Jugendschutzes findet er solche Bilder unerträglich. „Das ist kein Film, kein Fernsehen, sondern sind echte verstorbene Menschen, die Todesqualen erleiden mussten“, bekundet der Beschwerdeführer. „So etwas „frühstückt“ man nicht mal eben.“ Die Chefredaktion der Zeitung erklärt in ihrer Stellungnahme, die Terroristen auf Jolo hätten der philippinischen Regierung Videoaufnahmen von der Hinrichtung geschickt. Diese seien zur Veröffentlichung freigegeben worden, um die Grausamkeit der Extremisten zu beweisen. Der Regierung sei es dabei darum gegangen, die Allgemeinheit aufzurütteln. Fotos, die kriegerische Handlungen und Folgen darstellen, seien in der Tat nie schön und leicht erträglich. Nur könne diese Erkenntnis nicht dazu führen, alle Grausamkeiten des Krieges zu unterdrücken, also nicht darzustellen. Das Bild vom Zugbrand kommentiert die Chefredaktion mit der Feststellung, dass die Veröffentlichung auf den ersten Blick hätte unterbleiben sollen. Tatsächlich sei sie aber zur Dokumentation der Katastrophe geradezu ein Symbol. Die Redaktion habe damit die Grausamkeit des Vorganges und die Tatsachen darstellen wollen, dass Bahnbetreiber Menschen in Zügen mit vergitterten Fenstern unterbringen. (2002)