Zitat – falsch oder richtig
Übernahme eines Interviews ohne Quellenhinweis
Eine Lokalzeitung berichtet unter Angabe der Adresse über drei Beratungsstellen, die Prostituierten beim Ausstieg helfen. Dabei wird die Mitarbeiterin eines der Vereine mit entsprechenden Aussagen zitiert. Der Verein beschwert sich daraufhin beim Deutschen Presserat. Der Artikel erwecke durch diejenigen Passagen, die mit Anführungszeichen als Zitate gekennzeichnet seien, und durch die Nennung des Namens der Mitarbeiterin den Anschein eines mit ihr geführten Interviews. Tatsache sei aber, dass der Autor des Beitrags mit keiner der Mitarbeiterinnen ein Interview geführt habe. Die Zitate seien vielmehr aus einer Obdachlosenzeitung abgeschrieben worden. Da die genannten Vereine auch Zeuginnen in Verfahren wegen Menschenhandels betreuen, stelle die Veröffentlichung der Adresse eine enorme Gefährdung der Klientel sowie der Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen dar. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass sie ein Interview mit der genannten Beraterin in einer Obdachlosenzeitung nachgedruckt habe. Dies sei aus der Sicht der Redaktion ein durchaus übliches Verfahren, bei dem allerdings vergessen worden sei, die Quelle zu nennen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Redaktion auch nicht bekannt gewesen, dass die Adresse des betroffenen Vereins der Geheimhaltung unterliege. Sie sei in der gutgemeinten Absicht erfolgt, betroffenen Frauen mitzuteilen, wo sie geeignete Hilfe finden können. (1999)